Marokko 2000 - Transalp Maroc Challenge


Die Scirocco stampft auf und ab, rollt sich mal nach links und mal nach rechts, dreht sich um sämtliche Achsen. An der Reling stehen einige Passagiere und füttern die Fische, kein appetitlicher Anblick. Ich gehe in meine Kabine und lege mich in die Koje. Komischerweise ist mir nicht schlecht, obwohl ich sogar auf einem Kamel seekrank werde. Als wir endlich in Nador anlegen, ist die See wieder einigermaßen ruhig. Da wir uns mit 22 Personen als Gruppe angemeldet haben, sammeln wir die Dokumente ein und werden rasch als Block abgefertigt. Nachdem wir das Hafengelände verlassen haben, teilen wir uns in kleinere Gruppen auf, damit wir besser vorwärts kommen und jeder die Tour nach seinem Geschmack gestalten kann. Luigi, Brigitte, Marco, Gisi, Wolfgang, Claudia und ich bilden eine Gruppe. Wir fahren zuerst nach Süden und wollen uns dann ostwärts Richtung Oujda halten, verfahren uns aber unter meiner Führung und müssen ein paar Kilometer zurück. Vor Berkane übernimmt Luigi die Führung, er hat schon zuhause eine kleine Schottertour durch den Jebel Beni Snassen ausgearbeitet. Auf dem Weg zur Piste treffen wir Stefan. Er begleitete zunächst seine Frau Bettina samt halbjährigem Sohn, die zusammen mit meiner Schwester Petra im VW-Bus, liebevoll Pistenbulli genannt, unterwegs sind. Mit ihnen wollen wir uns abends südlich von Oujda, in Ain Benimathar, treffen. Die Piste führt durch Felder kurvenreich immer höher hinauf. War sie anfangs recht einfach zu fahren, müssen wir nun immer mehr kleine haarige Stellen meistern. Mal sind es große lose Steine in den Kehren, mal feuchte und ziemlich rutschige Steinplatten, die sich unserem Vorwärtsdrang entgegensetzen. Nach einiger Zeit erreichen wir fast die Kammlinie der Bergkette. Hier oben ist es spürbar kühler als in den Tälern und in schattigen Kurven werfen sich uns teils vereiste Schneefelder in den Weg. Die einen fahren durch, als wenn nichts wäre, andere lassen sich die Maschinen von den Kollegen bewegen und einmal laufe ich sogar neben meiner KTM her, da sie für mich zu hoch zum fußeln ist und der Abgrund gefährlich nahe ist. Auf einem harmlos aussehenden Abschnitt rutscht mir plötzlich das Hinterrad weg und ich lande unsanft auf dem hartgefrorenen Boden. Da ich der letzte in unserer Gruppe bin, bemerken die anderen meinen Sturz erst, als ich die Maschine schon wieder aufgestellt habe, über die Schmerzen an meinem großen Zeh und kleinen Finger fluche, zum Glück nur harmlose Prellungen. Nachdem mich die Mädels getröstet haben :-) zieht unsere Karawane weiter. Nun geht es immer weiter bergab. Leider erweist sich meine Beladung als unvorteilhaft für diese Strecke. Die Alukoffer sitzen sehr weit hinten und entlasten das Vorderrad. Zusätzlich erweist sich auch der Vorderradreifen nicht mehr als der Beste. In der dunklen Garage sah das Profil des Desert noch ganz gut aus, jetzt aber muss ich gestehen, dass er hier im Sonnenlicht sehr schlecht aussieht und das passiert mir, der ich doch immer predige, nur mit neuen Reifen, Kette usw. eine solche Tour zu machen. Die Strafe folgt hier auf den Fuß, indem mir ständig das Vorderrad wegrutscht und ich keine gescheite Linie mehr hinbekomme. Nach einigen wackeligen Kilometern erreichen wir die Straße nach Oujda. Jetzt sind es noch gute 70km bis zu unserem Treffpunkt, die wir aber, dank des Asphalts, schnell hinter uns bringen. Am Ortsausgang von Ain Benimathar finden wir die drei auf einem kleinen Parkplatz. Da es schon spät ist, machen Marco und ich eine kleine Erkundungstour und suchen einen Lagerplatz für die Nacht. Schon bald haben wir ein verfallenes Haus gefunden, in dessen Windschatten wir unsere Zelte aufbauen. Es ist ziemlich kalt und ich ziehe mir meine Skimütze an. "Das war eine meiner besten Ideen", rufe ich den anderen zu, "die Badehose zuhause zu lassen und dafür die Mütze mitzunehmen!" Wir starten unsere Kocher und brutzeln unser Abendessen. Beim Essen bewundern wir die vielen Sterne, ziehen uns aber dann doch recht schnell in die Zelte zurück, da wir draußen frieren.

Die knapp 300 Kilometer nach Figuig sind relativ eintönig. Einzig die Schneeflecken, die befremdlich in der Wüstenlandschaft liegen, erregen unsere Aufmerksamkeit, so etwas sieht man selten. Stefan, Bettina und Petra sind schon kurz nach unserem Aufbruch auf eine Piste Richtung Westen abgebogen, sie wollen den "Umweg" über Figuig nicht machen. Parallel zur Straße verläuft eine Eisenbahnlinie. Der Osten Marokkos ist Erzabbaugebiet und mit der Bahn werden die abgebauten erzhaltigen Steine transportiert. Tatsächlich kommt uns auch ein Güterzug entgegen. So klein wie das Eisenbahnnetz in Nordafrika ist, kann ich mich über den seltenen Anblick eines Zuges freuen. Während der Fahrt fällt mir auf, dass mein Roadbookhalter ziemlich wackelt. Ich bewege ihn hin und her und stelle fest, dass wohl die vordere Befestigung des Halterahmens abgerissen ist. So schlimm ist die Wackelei aber nicht, ich nehme mir vor, erst in Figuig den Schaden genauer unter die Lupe zu nehmen. Kurz vor Figuig kommen wir in eine Polizeikontrolle. Die Uniformierten wollen viel von uns wissen, sämtliche Namen und Adressen, Name des Vaters und der Mutter, Marke des Motorrads, woher und wohin usw. Die Kontrolle dauert eine Ewigkeit, aber wir machen das Beste daraus und scherzen und lachen mit den netten Gesetzeshütern, sie tun ja auch nur ihre Arbeit. Am Ende warnen sie uns eindringlich davor, uns auf die Pisten nach Algerien zu begeben. Algerien wäre gefährlich für uns und wir sollten wirklich auf marokkanischem Gebiet bleiben. Im Hotel Figuig angekommen ist zunächst keiner da. Die Erklärung dafür ist der Ramadan. Die Sonne ist kurz vor dem Untergehen und alle Leute sind in der Stadt, um das nächtliche Fastenbrechen abzuwarten und nach einem Tag des Hungerns endlich etwas zu essen. Die anderen fahren in die Stadt, um etwas zu essen zu kaufen. Ich bleibe zurück und schraube die vordere Verkleidung meiner Maschine ab. Kurz darauf habe ich den Grund für das Wackeln des Roadbookhalters gefunden. Die vordere obere Haltelasche der Verkleidung hat an der Schweißnaht einen Dauerbruch erlitten. Ich befestige bzw. stabilisiere die Lasche notdürftig mit Kabelbindern. Außer dem Roadbookhalter sind noch die Scheinwerfer an dieser Lasche befestigt, aber dies ist nur einer von drei Befestigungspunkten, die Chance, dass es hält, ist also groß.

Als ich mit der Reparatur fertig bin, spaziere ich durch den Garten des Hotels, der gleichzeitig den Campingplatz darstellt. Nahe der Zufahrt steht ein IFA-LKW aus Deutschland. Die "Bewohner" kommen gerade mit einer alten Ténéré von einem Ausflug zurück. Wir unterhalten uns und es stellt sich heraus, dass ich schon mal bei einem Diavortrag des IFA-Fahrers war. Er berichtete damals von der Reise mit seiner Africa Twin quer durch Russland bis nach Japan. Dann kommen die anderen aus der Stadt zurück. Sie haben nichts zu essen kaufen können, da zu Sonnenuntergang alle Geschäfte schließen und die Leute beim wohlverdienten Essen sitzen. Nach einer Weile kommt auch der Hotelier und wir bekommen einen bescheidenen aber sauberen Unterschlupf für die Nacht. Leider sind die Duschen kalt, aber nach der letzen Nacht ohne Waschgelegenheit drückt sich hier keiner davor. Nach dem Abendessen spazieren wir durch die Stadt. Es ist hier auffallend sauber und die Menschen sind freundlich und überhaupt nicht aufdringlich, wie sonst gewohnt. Wir kaufen Wasser und Brot für den nächsten Tag ein und schlendern dann zum Hotel zurück.

Am nächsten Morgen laufen wir durch die Oase und schauen den Bauern beim Arbeiten zu. Besonders interessant sind die Bewässerungssysteme, die in verschiedenen Höhenniveaus durch die Palmengärten verlaufen. An einer Stelle können wir zusehen, wie das Wasser durch Öffnen und Schließen von verschieden Erddämmen in bestimmten Mengen in verschiedene Richtungen geleitet wird. Die Erinnerung an die eigene Wasserverschwendung zuhause macht mich schon etwas betroffen. Gegen Mittag fahren wir zunächst wieder nach Norden. Auf marokkanischer Seite gibt es hier unten keine Verbindung in Richtung Westen. Nach ca. 50 Kilometern erreichen wir den Abzweig zu einer eigentlich verbotenen Piste (wahrscheinlich weil der Grenzverlauf hier nicht eindeutig geklärt ist), die genau nach Westen, nach Mengoub führt. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir uns dafür, das Wagnis einzugehen. Wir kommen an einem Militärposten vorbei, zuerst habe ich ein mulmiges Gefühl, aber als ich den Soldaten zuwinke, winken sie freundlich zurück. Na also, denke ich, dann kann das Verbot ja nicht so ernst sein. Die Piste führt zwischen zwei Gebirgsrücken hindurch und eigentlich kann man sich hier nicht groß verfahren. Trotzdem versuchen wir möglichst weit rechts zu bleiben, der marokkanischen Seite zugewandt. Die Strecke ist nicht besonders schwer zu fahren, einzig die ab und zu auftretenden Sandfelder machen einigen von uns etwas Bauchschmerzen. Die Piste driftet schließlich immer weiter in Richtung Algerien ab. Ich versuche weiter nördlich eine andere Piste zu finden, muss mich dann aber durch schweres Geröll durcharbeiten und schwenke dann lieber zu den anderen auf die bessere Piste zurück. Nach einer Weile zieht eine kleine Propellermaschine im Tiefflug über uns hinweg. Nun werden wir doch etwas unsicher, ob wir hier noch richtig sind. Wir machen eine kleine Pause und versuchen mit Hilfe unserer TPC-Karten unseren Standort festzustellen. Eigentlich müssten wir hier noch auf der richtigen Seite der Grenze sein. Angestrengt suchen wir die südliche Bergkette nach Anzeichen auf algerisches Militär oder andere Personen ab. Nichts zu sehen, das Flugzeug kam auch nicht mehr zurück, also weiter. Gegen Abend erreichen wir ein tiefes grobschottriges Qued, das wir durchqueren müssen. Wolfgang hat keine Kraft mehr und schmeißt seine Transalp in den Kies. Auch die anderen haben für heute genug und wollen die Nacht hier bleiben. In Sichtweite liegen einige Gebäude, die eine Militärstation sein könnten. Mit dem Teleobjektiv versuchen wir eine eventuell gehisste Flagge zu erkennen, aber da hängt keine. Wir beschließen trotzdem die Nacht hier zu verbringen, bauen die Zelte auf und werfen wieder unsere Kocher an. Vor dem Essen können wir uns noch einen super Sonnenuntergang anschauen, wirklich eine tolle Erinnerung. Leider treibt uns auch heute die Kälte recht schnell in unsere Schlafsäcke, die uns aber nicht so recht wärmen wollen.

Als wir an der vermeintlichen Militärstation vorbeirollen, erkennen wir, dass sich ein ganzes Dorf hinter den beiden Gebäuden befindet. In der Dämmerung gestern Abend war dies nicht zu erkennen. Wir fahren zwischen den Häusern hindurch und biegen auf eine Piste ab, die aber in die falsche Richtung, nämlich auf die algerische Seite führt. Wir drehen um und fahren ins Dorf zurück. Kaum sind wir wieder auf der "Hauptstraße", da kommt uns auch schon ein Polizei-Jeep entgegen. Der Fahrer lässt sich kurz Luigis Pass zeigen und deutet dann in die für uns richtige Richtung. Kaum 200 Meter später rollen wir auch schon auf einer Teerstraße dahin, dem Sandsturm am Horizont entgegen. Zum Glück ist es kein richtiger Sturm und der Wind lässt zwei Täler weiter auch schon wieder nach. Nach einiger Zeit geraten wir wieder in eine Polizeikontrolle. Alles anhalten und die Pässe zücken. Nun schreibt einer der drei Polizisten akribisch jeden Pass ab, ein anderer stellt Fragen nach Motorradmarke und Typ und dem dritten im Bunde fällt zu jedem unserer Namen eine prominente Person ein. Bei Brigitte natürlich Brigitte Bardot, bei Claudia die Schiffer usw. Wir haben zusammen viel zu lachen, so dass einem bei der langen Kontrolle wenigstens nicht langweilig wird. Als wir gerade weiter wollen, kommt der IFA-Fahrer hinter uns an. Er springt schnell zu uns raus und fragt, ob wir den Allgäuer BMW-Fahrer schon gesehen hätten, er wolle auch in unsere Richtung fahren. Aber wir müssen ihn enttäuschen, bisher haben wir keinen einzigen Motorradfahrer außer uns getroffen. Während eines Tankstopps wollen Luigi und ich Brot besorgen gehen, was tagsüber während des Ramadans nicht immer leicht ist, da die meisten Geschäfte geschlossen haben. Luigi fragt einen Soldaten auf englisch nach Brot: "Bread?" Der junge Mann schaut ihn ungläubig an. Luigi wiederholt: "Bread?" Wieder schaut der Marokkaner hilflos in die Runde. Jetzt wiederholt Luigi nochmals etwas lauter: "BREAD!" Der Typ schaut mich fragend an und ich sage auf französisch: "Pain!" Nun fängt er das Lachen an und antwortet, "ah, Bread!" Sogleich führt er uns um die Ecke, eine Frau schließt einen Laden auf und fragt uns, ob sie uns ein paar Eier braten soll. "Nein", antworten wir gleichzeitig, "wir wollen Brot, und zwar fünf Fladen". Die Frau rennt nun los, um uns unseren Wunsch zu erfüllen. Während wir warten, kommt plötzlich eine BMW angebraust. das muss der Allgäuer sein, denke ich bei mir. Der Fahrer stoppt seine Maschine, klappt seinen Helm auf und ruft: "Mensch, Carlo, Luigi, das ich euch hier treffe!" Es ist Hans Nägele, der mit uns letzten Frühjahr die Rallye El Chott mitgefahren ist. Unter großem Hallo begrüßen wir uns, gegenseitig bezeugend, dass die Welt ein Dorf ist. Hans schließt sich uns bis zum Erg Chebbi, zur gemeinsamen Silvesterfeier an, so dass wir nun zu acht weiterfahren.

Ein Stück weit hinter Boudnib biegen wir auf eine Piste Richtung Norden ab. Wir wollen diesen kleinen Offroad-Umweg nach Er Rachidia mitnehmen. Die Strecke erweist sich als gute Wahl. Wir fahren auf einer staubigen Schotterpiste hoch über einem breiten Qued, das sogar etwas Wasser führt. An einer besonders malerischen Stelle machen wir Rast und genießen bei Fladenbrot und Salami die Landschaft. Da wir noch ein Stück zu fahren haben, brechen wir nach einiger Zeit wieder auf. Nach zwei schönen Wasserdurchfahrten erreichen wir bei Gourrama wieder die Teerstraße, um nach guten 30 Kilometern wieder auf ein kurzes Pistenstück nach Süden auszuweichen. Zunächst denken wir, wir seien auf dem falschen Weg, doch wir kommen wie geplant, kurz vor dem Tunnel du Légionnaire, wieder auf die Straße nach Er Rachidia. Die Straße führt uns, gut ausgebaut und kurvenreich, durch den Gorges du Ziz. Ich fahre recht flott vorneweg, um mir den Staub vom Leibe blasen zu lassen. Außerdem bin ich die Strecke schon öfter gefahren, so dass ich mich statt auf Sightseeing voll auf das Fahren konzentrieren kann. Die Tankstelle an der Stadtgrenze von Er Rachidia ist unser Treffpunkt. Nachdem die Maschinen wieder mit Brennstoff befüllt sind, fahren wir zum Hotel weiter, in dem ich schon bei früheren Marokkoreisen zu Gast war.

Wie auch bei den früheren Besuchen, frühstücken wir windgeschützt und von der Sonne gewärmt im Hinterhof des Hotels. Wir können uns viel Zeit lassen, denn die heutige Etappe wird nicht so lang sein. Nach dem Frühstück kaufen wir noch Brot, Wasser und Oliven für die nächsten Tage ein und besuchen bei der Gelegenheit gleich ein Internet-Café, um ein paar Grüße an die Daheimgebliebenen zu schicken. Die Weiterfahrt durch den Gorges du Ziz ist natürlich ein Augenschmaus, die kurvige Straße führt hoch über den Dattelpalmen im Tal entlang. In Erfoud, dem Tor zum Erg Chebbi ist die Hölle los. Zig Geländewagen blockieren die Straßen und die erste Tankstelle im Ort. Zum Glück weiß ich, dass es noch weitere Tankstellen im Ort gibt. Siehe da, schon die nächste ist völlig frei und wir können ohne Hektik unsere Bestände auffüllen. Hinter Erfoud kommen jetzt noch ein paar Kilometer Teerstraße, dann beginnt die Piste zum Erg Chebbi. Ich fahre vorneweg und schon nach ca. 300 Metern führe ich die Gruppe in ein Weichsandfeld. Ich schiebe den Hintern nach hinten und reiße das Gas voll auf, schwupps bin ich durch. Im Rückspiegel aber sehe ich das Drama, die Leute hinter mir fallen wie die Fliegen. Claudia, Gisi und Wolfgang liegen in den Spuren, die anderen können sich gerade noch vor einem Sturz retten. Nachdem alle wieder geborgen sind, geht die Fahrt weiter. Die Strecke bis zum Treffpunkt mit den anderen Gruppen ist ca. 50 Kilometer lang. Ab und zu liegt noch mal jemand im Sand, aber ansonsten klappt es vorzüglich. Die Aussicht auf die großen Dünen entschädigt alle für die mehr oder weniger großen Strapazen bei der Fortbewegung. Als wir auf dem Campingplatz einlaufen, sind schon fast alle Leute da. Mit Freudenschreien und Umarmungen begrüßen wir uns aufs Herzlichste. Als Überraschungsgast ist Per aus Schweden angereist. Er ist nach Agadir geflogen und hat sich dort eine Transalp ausgeliehen, um standesgemäß beim bisher weitesten Transalptreffen in der Vereinsgeschichte teilnehmen zu können. Nach einem kurzen Erfahrungsaustausch fahren Luigi und ich los, um einen geeigneten Lagerplatz für unseren ganzen Haufen zu finden. Ca. 10 Kilometer weiter südlich werden wir fündig. Von der Schotterpiste aus geht es ein kurzes Stück steil bergab, dann durch ein Stück verspurten Sand in einen Dünenkessel hinein, der den gewählten Platz bis auf die schmale Zufahrt komplett umschließt. Sieht gut aus, denken wir und speichern die Koordinaten im GPS ab. Dann geht's es flott zurück zu den anderen, um sie mehr oder weniger geschlossen zum Platz zu führen.

Die schmale verspurte Zufahrt zum Kessel macht doch einigen Leuten Schwierigkeiten. Auch hier ist der Spruch, "... fallen wie die Fliegen", nicht verkehrt ;-). Schlammspezialist Stefan versenkt seine Alp gleich richtig im Sand. Ich möchte mich nicht gerade hier vor allen Leuten blamieren und gebe beherzt Gas. Hier im Sand ist die "falsche" Beladung der KTM ein Vorteil. Das Gewicht liegt auf dem Hinterrad, das Vorderrad ist entlastet und ich glaube, nicht schlecht an den anderen vorbeigefahren zu sein. Im Nu stehen die Zelte und wir beeilen uns mit dem Kochen, da es schon wieder dämmert. Einige Leute sammeln Holz für das Lagerfeuer heute nacht. Das Wetter ist wirklich toll, aber es ist auch bitterkalt. Ab 19:00 Uhr beginnen wir stündlich den Jahreswechsel zu feiern, immer abschätzend, an welchem Punkt der Erde nun wohl die Sektkorken fliegen. Wir zünden Wunderkerzen an, heben unsere mit wärmenden Getränken gefüllten Becher und prosten uns zu. Die Stimmung ist echt toll, das Lagerfeuer prasselt und über uns leuchten Millionen von Sternen. Um 23:00 Uhr denken wir an die Daheimgebliebenen, denn durch die Zeitverschiebung von einer Stunde ist es in Deutschland schon Mitternacht und somit der Jahreswechsel. Wie wird es jetzt zuhause aussehen, alle Computer abgestürzt? Kein Strom, keine Heizung mehr? Haben sich die dunklen Prophezeiungen der Schwarzseher erfüllt? Luigi schmeißt seinen Weltempfänger an und wir hören, dass es bisher zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen in den Teilen der Welt gekommen ist, bei denen das neue Datum schon erreicht wurde. Dann ist es auch bei uns endlich soweit, mit lautem Prosit Neujahr und den besten Wünschen für die Zukunft fallen wir uns in die Arme. Ich war zwar schon ein paar Mal zum Jahreswechsel in der Wüste, aber dieses Mal ist es wohl das bisher genialste Fest unter freiem Himmel, vor Freude treibt es mir fast das Wasser in die Augen. Der nördliche Horizont ist von Feuerwerk erfüllt. Das sind wohl die Touristenmassen aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Portugal, die den Rufen verschiedener Veranstalter gefolgt sind, um hier in den Dünen zu feiern. Der harte Kern sitzt noch bis zum Hellwerden am Feuer, gefesselt durch Gespräche mit den Freunden und das Erleben einer genialen Nacht.

Das neue Jahr beginnen einige von uns mit einer Ausfahrt in die Dünen. Ohne Gepäck tut man sich gleich viel leichter im Sand. Wir fahren die kleinen Dünen hinauf und hinab, wühlen uns durch weichere Stellen und finden kleine Absätze zum Springen. Der größere Teil der Gruppe beschränkt sich aufs Zusehen. Die Erlebnisse in verschiedenen Sandlöchern am Vortag sitzen noch fest in der Erinnerung. Gegen Mittag sind wir doch etwas erschöpft, der Sand ist relativ weich und das Fahren entsprechend anstrengend. Bis auf eine kleine Gruppe die hier im Lager bleibt, ziehen wir alle auf den Campingplatz Ksar Sania um, unserem gestrigen Treffpunkt. Dort waschen wir unsere Wäsche, duschen uns und setzen uns zu einem The à la Menthe an die Tische. Hier werden die weiteren Pläne besprochen und teilweise die Gruppen neu formiert. Am Abend lassen wir uns im Restaurant verwöhnen, das heißt eigentlich wollen wir uns verwöhnen lassen, aber die Portionen, Reis mit Hammelfleisch, sind leider recht dürftig und wir müssen schon deutlich drängen, um nochmals Nachschlag zu bekommen. Hier im Haus ist es wärmer als draußen, so dass noch die ein oder andere Flasche Wein die Runde über die Tische macht.

Meine "neue" Gruppe besteht nun nur noch aus Brigitte, Luigi und mir. Wir wollen über teils schwierige Pisten nach Zagora und weiter nach Foum Zguid fahren. Von den anderen wollte oder konnte sich uns niemand anschließen. Nun gut, als kleine Gruppe sind wir auf jeden Fall flexibler. Zunächst fahren wir auf einer Piste über Merzouga nach Rissani. Dort tanken wir auf und finden, nach einem kleinen Verfahrer, den Einstieg in die Piste nach Zagora. Die Strecke ist von kleinen Weichsandfeldern durchzogen, die aber kein Problem darstellen. Schlimmer sind da schon die Teilstücke mit großen Steinen, fährt man langsam, eiert man herum und braucht viel Kraft. Fährt man schnell, so schmerzt mich jeder harte Kontakt zwischen Steinen und Motorrad. Zwischendurch kommen immer wieder Ebenen, die wir rasch durchfahren können. So blasen wir im Abstand von 50 Metern nebeneinander her, die Staubfahnen wie Kondensstreifen hinter uns herziehend. Ab und an müssen wir zwischen schroffen Felsen hindurch von einer Ebene in die nächste wechseln. Das sind dann meist die Bereiche, wo es knifflig wird. Abwechselnd versuchen weicher Sand und größere Steine uns vom Weg abzubringen, aber wir beißen uns durch. Am Rand eines kleinen Seitentals bauen wir unsere Zelte auf. Kaum stehen sie, kommt eine Frau aus der Richtung eines Beduinenzelts, das wir jetzt erst entdecken. Als sie näher kommt, beginnt sie auffallend zu husten. Sie stellt sich vor unser Lager, hustet und versucht uns was zu erklären. Wir geben ihr einige Tabletten und ich versuche ihr, anhand des Sonnenstands zu erklären, dass sie morgens, mittags und abends je eine nehmen soll. Sie versucht dann uns zu ihrem Lager zu bringen, aber wir lehnen dankend ab. Als sie wieder zurückläuft, beginnen wir mit dem Kochen. Später bekommen wir noch kurz von einem hustenden jungen Mann Besuch. Die Nacht verbringen wir zu dritt in Luigis Zelt, da die beiden durch die Nähe der Beduinen ein ungutes Gefühl haben und mich gerne bei sich hätten. Als wir beim Frühstück sitzen, kommt die Alte von gestern mit zwei Kindern, beides Mädchen, vorbei. Als sie zwischen dem Gebüsch hindurch wieder auf uns zukommen, beginnen alle drei wie auf Kommando zu husten. Ich huste zunächst einmal zurück, da auch ich eine kleine Erkältung habe. Das kleinste Mädchen wird mit einem Teppich vorgeschickt. Sie wollen ihn gegen Schuhe und andere Kleidungsstücke eintauschen. Da wir kleidungsmäßig nur eine Minimalausrüstung dabei haben, können wir ihnen nichts anbieten. Als wir zusammenpacken, ziehen auch die Drei ihres Weges.

Die Piste führt uns auch heute durch Ebenen, die manchmal schwarz und mal manchmal gelblich zwischen schroffen Gebirgszügen eingekesselt liegen. Der Untergrund wechselt zwischen kleinen und großen Steinen, durch schmale bewachsene Sandstreifen voneinander getrennt. Wir kommen durch zwei Ansiedlungen. Mitten im Nichts haben wir eigentlich nicht mit Ortschaften gerechnet. Am Straßenrand haben Kinder aus Holzkisten kleine Verkaufsstände für Fossilien errichtet. Da sie sich wahrscheinlich nicht gegenseitig die Steine verkaufen, kommen hier sicher öfter mal Touristen durch. Zum Glück konnten wir bisher die Landschaft alleine genießen. Ca. 25 Kilometer vor Zagora beginnt ein wahrer Höllentrip. Die Piste besteht nur noch aus großen teils scharfkantigen Steinen und ist geformt wie eine hohle Gasse, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Die größeren Brocken drücken das Motorrad immer auf den Pistenrand zu, wo Steinböschung schon gierig auf das Aluminium der Koffer wartet. Will man die Fuhre wieder mehr auf die Mitte zu lenken, versuchen andere Steine den Motorschutz zu zertrümmern. Für die Reifen ist das eine reine Tortur. Zudem werfen die beiden vorausfahrenden Maschinen mit kleinen Steinen nach mir und der aufgewirbelte Staub beißt in den Augen und macht mich halb blind. In Sichtweite von Zagora weichen die Steine einem feinen mehlartigen Staub, der sich in mehrere Millimeter dicken Schichten auf uns legt und uns fast den Atem nimmt. Endlich quartieren wir uns im Hotel Kasbah Asmaa ein, hier bin ich nicht zum ersten Mal und freue mich auf das Ambiente zwischen Kitsch und Tausend und einer Nacht. Als wir unser Gepäck abladen, kommen Gisi, Marco, Claudia, Franky und Horst vorbei. Sie sind eine andere Strecke gefahren und schon seit gestern hier, aber leider in einem anderen Hotel. Im Moment machen sie einen Ausflug in den Süden. Wir verabreden uns für den Abend und gehen unter die wohlverdiente Dusche. Nach einem vermeintlich kleinen Mittagsimbiß, eine riesige Platte verschiedenster Salate, gehen wir in die Stadt. Brigitte kauft sich einen Chech, das Kopftuch der Beduinen, ich überlege mir, mich rasieren zu lassen, aber dann habe ich doch keine Lust mehr und so enden wir in einem Café. Am Nebentisch sitzen zwei Männer und eine Frau aus Holland, die auch mit Motorrädern hier unten sind. Eine XT 500 und zwei alte XT 600, also noch die echten XTs. So wie ihre Maschinen gepackt und sie selbst gekleidet sind, erinnert es mich an meine Reisen in den achtziger Jahren. Jeans und Jethelme, das Gepäck teilweise mit Stricken befestigt und alles in einem gesunden Gammelzustand. Das einzige moderne ist ihr GPS, das mit Klebeband an einem der Lenker befestigt ist. Die Drei erzählen uns, dass sie in M'Hamid den Pisteneinstieg nach Foum Zguid nicht gefunden haben, deshalb hierher zurückgekehrt sind und hier noch einmal übernachten wollen. Hm, denken wir, diese Piste wollen wir morgen auch fahren, hoffentlich haben wir mehr Glück. Wie schlendern zurück, gehen zum Hotel der anderen und suchen ihr Zimmer. Als wir sie finden, liegt Gisi im Bett und die anderen sind etwas bedrückt. Während ihres Ausflugs hat ein Kamel unvorhergesehen die Straße überquert und Gisi ist voll reingefahren. Nachdem das Knäuel entwirrt war, beging das Kamel Fahrerflucht, Gisis Mopped war verbogen, ihre Motorradklamotten durchgescheuert und Gisi hatte viele blaue Flecken und eine dicke Lippe. Insgesamt hatte sie viel Glück gehabt, das hätte auch anders ausgehen können.

Heute wollen wir die Etappe nach Foum Zguid starten. Zunächst aber fahren wir zum Einkaufen in die Stadt. Nachdem das Brot und die Wasservorräte verstaut sind, besuchen wir noch die andere Gruppe, um uns zu verabschieden und um uns natürlich noch mal nach Gisi zu erkundigen. Alle fünf stehen auf dem Hotelparkplatz und sind auch schon am Packen. Gisi geht es körperlich den Umständen entsprechend gut, aber man sieht ihr an, dass sie psychisch noch nicht ganz auf dem Damm ist. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und fahren dann in Richtung M'Hamid weiter. Die knapp hundert asphaltierten Kilometer sind recht langweilig. In M'Hamid selbst ist das ganze Dorf auf der Straße und wir müssen uns langsam durcharbeiten. Hinter dem Ort beginnt die stark verspurte und weichsandige Piste. Es ist wirklich eine harte Arbeit vorwärts zu kommen. Ständig ist das Vorderrad in einer anderen Spur wie das Hinterrad. Mit wild auskeilenden Motorrädern bewegen wir uns von einem Pistenrand zum anderen, immer versuchend einigermaßen die Richtung zu halten. Als wir alle nacheinander auf der Nase gelegen haben, drehe ich beherzt auf und schalte bis in den vierten Gang hoch. So fährt es sich schon besser, aber es kostet eine Menge Kraft, sowohl physisch wie auch psychisch. An Stellen, wo der Sand ein wenig dem Lehmboden weicht, machen wir ab und zu Pause. Dann weichen wir ein Stück seitlich in die Dünen aus. Aber der Sand ist hier auch nicht besonders tragfähig, so dass ich mich zweimal tief eingrabe. Die anderen waren gerade hinter anderen Dünen verschwunden, also habe ich mich hinter die Maschine gestellt und am Querausleger des Gepäckträgers das Motorrad hinten aus dem Sand gehoben und nach vorne aus dem Loch geschoben. dass das Schwerstarbeit ist, kann sich sicher jeder vorstellen. Als ich dann noch ein paar Mal Brigittes Motorrad aufgehoben hatte und mir währenddessen meine eigene Maschine auf dem Ständer umkippte und ich die dann auch noch wieder aufheben durfte, ließ mit der Zeit auch meine Kondition nach. Als ich über eine Düne fahre, sehe ich zu spät, dass sie auf der Rückseite fast senkrecht abfällt. Anstatt nun Gas zu geben, nehme ich es vor Schreck weg und die KTM steht nun fast senkrecht auf dem Vorderrad. Ich kann den Bock nicht mehr halten und falle um. Brigitte hilft mir beim Aufheben. Wir fahren weiter, queren die ausgefahrene Piste und versuchen unser Glück in den Dünen auf der anderen Seite der Piste. Hier grabe ich mich so fürchterlich ein, dass ich nur mit Hilfe der anderen beiden wieder frei komme. Kaum bin ich frei, steckt Brigitte fest. Wir helfen ihr raus, da fällt meine Maschine wieder um. Die Kräfte schwinden und wir haben genug für heute. Ein paar Dünen später liegt ein kleiner Platz mit festem Boden, hier errichten wir unser Nachtlager. Nach dem Essen gönnen wir uns aus Luigis Restbeständen einen ordentlichen Schluck Cola mit Rum und staunen wieder einmal über den genialen Sternenhimmel.

Während Luigi seine Morgentoilette erledigt, hören wir plötzlich Motorengeräusche. Wir steigen auf den nächsten Hügel und halten Ausschau. Auf der Piste kommt zunächst ein Geländewagen angefahren, gefolgt von einer Africa Twin und einer Dominator, beide fast ohne Gepäck, aber um so wilder auskeilend. Wir winken, rufen und pfeifen, aber die beiden sind sicher so stark auf das Fahren konzentriert, dass sie uns nicht wahrnehmen. Etwas enttäuscht packen wir unsere Sachen zusammen. Durch den Schlaf gestärkt, fahren wir nun etwas weiter rechts von den Dünen und erreichen nach einiger Zeit eine Piste, die besser zu fahren ist. Nun geht es wieder recht flott voran. Vor uns taucht eine Ebene auf. Laut unserem GPS ist das der Lac Iriki. Mit einem See hat er nur die Ausmaße gemeinsam, der Boden ist staubtrocken, aber halbwegs glatt und fest. Hier können wir endlich wieder mal im fünften Gang brausen. Am Ende des Lac Iriki kommen wir wieder auf eine Piste. Rechts oben steht ein Haus auf einem kleinen Hügel. Ein Mann kommt winkend herabgelaufen. Luigi und Brigitte geben Gas und übersehen dabei die beiden auf Steinplatten aufgemalten Stoppschilder. Ich halte an und warte auf den Mann, der offensichtlich ein Polizist ist. Er notiert kurz einige Angaben aus meinem Pass und fragt mich, warum die anderen nicht angehalten hätten, ob sie nicht wüssten, dass hier eine Polizeikontrolle ist. Ich entschuldige mich für die beiden und sage, dass die sie ihn und die Schilder wohl übersehen hätten. Dann darf ich passieren und ein paar Kilometer weiter warten die beiden anderen auf mich. Ab hier ist die Piste nun steiniger, aber besser zu fahren als der Sand.

Seit einigen Kilometern schon spotzt meine Kati unter Last und reagiert nur noch auf leichtes Gasgeben, Vollgas will sie nicht mehr annehmen. Das kann nur der Luftfilter sein, denke ich mir und hoffe, dass ich noch die paar Kilometer bis Foum Zguid fahren kann. In Sichtweite des Ortes ist wieder eine Polizeikontrolle, aber diesmal ist eine Kette quer über die Piste gespannt. Wir zeigen unsere Pässe, dürfen weiter und erreichen gleich darauf die Teerstraße. Durch Foum Zguid hindurch geht es zügig zur Tankstelle, die kenne ich noch vom letzten Jahr her, damals habe ich hier einen Reifen geflickt. Nach dem Tanken wechsele ich den Luftfilter. Der alte ist so voller Sand und Dreck, dass ich ihn gleich wegschmeiße. Den noch mal zu reinigen ist mir der Preis nicht wert. Ein Tribut an die Sand- und Staubschwaden der beiden Vorausfahrenden. Mit dem neuen Filter läuft die Maschine wieder super, so dass ich gleich unfreiwillig auf dem Hinterrad die Tankstelle verlasse. Wir fahren wieder durch Foum Zguid durch, denn wir müssen in die andere Richtung nach Tata. Die Straße führt uns 140 Kilometer lang zwischen schwarzen Bergen hindurch nach Westen. Zwar scheint die Sonne, die Luft aber ist empfindlich kühl und wir beeilen uns, um zeitig ans Ziel zu kommen. In Tata nehmen wir wieder ein uns schon bekanntes Hotel. Die Motorräder kommen in eine durch Essensreste stark verschmutzte Garage - hoffentlich holen die sich nichts Ansteckendes in dem Dreck - aber sie stehen dort sicher. Nach der obligatorischen Dusche gehen wir in den Speisesaal des Hotels, um uns mit einer Harira, der traditionellen Fastensuppe, zu stärken. Abendessen gibt es nämlich erst in zwei Stunden und unsere Mägen hängen in den Kniekehlen. Auf dem kleinen Marktplatz in der Stadt können wir gemütlich herumschlendern, die Einheimischen sind hier überhaupt nicht aufdringlich. In Ruhe sehen wir uns die Waren in den Auslagen an. Brigitte und Luigi kaufen sich zwei warme Wollmützen, ich lasse mich in der Zwischenzeit beim Frisör nebenan rasieren. Danach kaufen wir noch einige Dinge ein, wie Äpfel, Karotten, Radi, Schokolade, Plätzchen, Vorräte für den nächsten Tag.

Vor mir leuchten die Bremslichter der beiden anderen KTMs auf. Brigitte und Luigi müssen sich etwas drunter ziehen. Wir haben auf dem Weg nach Tafraoute einen Höhenmeter nach dem anderen erklommen und die Temperatur hat spürbar abgenommen. Anfangs hat die kurvenreiche Strecke nach Igherm, eingebettet zwischen Bergen mit seltsamen wie eingeschliffenen Mustern, viel Spaß gemacht. Nun sind wir auf 1700 m Höhe, haben den Pistenabzweig nach Tafraoute verpasst und das Thermometer zeigt trotz Mittagssonne -3°C an. Luigi und ich studieren mit klammen Fingern die Karte. Brigitte ruft mehrmals von hinten, "ich will ins Warme!" Wir vergleichen die Höhenangaben, hier sind wir auf 1700 m, Tafraoute liegt irgendwo zwischen 1000 und 1300 m. Pro 1000 m rechnet man üblicherweise mit 7,5°C Temperaturunterschied. Das bedeutet bei 400 m weniger Höhe, eine Zunahme von ca. 3°, dann wären wir also gerade mal bei 0° in Tafraoute, um die Mittagszeit wohlgemerkt! Von hinten tönt es wieder, "ich will ins Warme!" Wir schlagen die Karte weiter auf und rechnen laut die Kilometer zusammen. Fünfundsechzig plus vierzehn, plus noch mal vierzehn, plus zweiundsechzig und da noch ein Stückchen. Hm, bis Agadir sind es noch gute hundertsechzig Kilometer, davon ungefähr die Hälfte auf gut ausgebauter Straße. Agadir liegt an der milden Küste, also bei geschätzten 15°C. Wir brauchen uns nicht lange gegenseitig zu überreden, einstimmig schlagen wir die Richtung nach Agadir ein. Nahe einem Dorf machen wir eine kleine Pause. Sofort sind einige Kinder da, die alles andere als lieb sind. Überall müssen sie ihre Finger haben, einer stellt sich sogar vor Brigitte hin und uriniert ungeniert. Als wir weiterfahren, sehe ich im Rückspiegel, wie die Plagen Steine nach uns werfen. Sofort drehe ich um und nehme die Verfolgung auf. Wenn die Jungs wüssten, dass ich gar nicht so schnell absteigen kann, wie ich jetzt gerne wollte, würden sie langsamer laufen und weiter schmeißen. Damit er schneller rennen kann, wirft der offensichtliche Anführer der Bengel seine Schlappen von den Füßen. Da ich kaum eine Chance habe, einen der Flegel zu packen, sammele ich die Schlappen ein. Dann fahre ich gemütlich den anderen beiden nach und winke den Jungs noch einmal mit den Schuhen zu. Einige Kilometer weiter lasse ich sie am Straßenrand liegen. Auf der weiteren Fahrt mache ich mir dann Vorwürfe, ob meine Handlungsweise richtig war. Sicher war dies das einzige Paar Schuhe, das der Junge hatte. Bei den Temperaturen hier oben kann er sich jetzt sonst was holen. Auf der anderen Seite brauchen die Kerle ja nicht andere Leute belästigen und mit Steinen nach uns werfen. Hoffentlich überlegt er es sich jetzt dreimal, bevor er einen Stein in die Hand nehmen will.

Je tiefer wir kommen, umso wärmer wird es. An einer Stelle mit schöner Aussicht ins Tal rasten wir. Wir setzen uns windgeschützt hinter ein paar große Steine und verzehren unsere Brotzeit. Aus einem Seitenweg kommt eine Frau samt Esel und Tochter an uns vorbei. Das Mädchen stellt sich vor Luigi hin und schaut ihm mit großen Augen zu, wie er eine dicke Karotte verspeist. Luigi hält sie ihr hin, sie greift rasch zu und rennt damit zur Mutter. Dort lässt sie sich die Möhre sichtlich gut schmecken. Nach einiger Zeit des Aufwärmens in der Sonne fahren wir weiter. Vor lauter Vorfreude lassen wir es auf der Talfahrt richtig knacken. Dann erreichen wir die Kreuzung zur Hauptstraße, die uns nach Westen bringt. Auf der Straße ist die Hölle los. Nachdem wir jetzt viele Tage mit nur wenig bis gar keinem Verkehr verwöhnt wurden, müssen wir uns hier kamikazeartig zwischen Schlangen von LKWs und PKWs durcharbeiten. Wir haben ein Gefühl, als ob alle darauf aus sind, uns nicht nach Agadir kommen zu lassen. Manchmal mit Umsicht, ein anderes mal mit Frechheit, kommen wir jedoch heil in Agadir an. Zuerst fahren wir zum Strand. Die Sonne brennt, die Wellen schlagen ans Ufer und wir schwitzen, zum ersten Mal wieder seit langer Zeit. Dann suchen wir uns ein Hotel. Etwas Besseres kann es nun schon sein, lachen wir und halten vor dem Agadir Beach Club, einem vier Sterne Bunker. Entgegen unserer Erwartung gibt es dort auch für staubige Motorradfahrer Zimmer. Ab unter die heiße Dusche und dann runter zum Pool. Da stehe ich nun, mit meiner Skimütze im Gepäck und der Badehose zuhause. Na egal, so warm ist nun auch wieder nicht. Natürlich haben wir wieder tierischen Hunger. Es gibt hier zwar vier Restaurants, aber alle machen erst um 20:00 Uhr auf. Überall im Hotel stehen Körbe mit (kostenlosen) Mandarinen, aber wir wollen lieber was handfestes. An der Rezeption bekommen wir zu hören, dass es bis zum Abend nichts zum Essen gibt, so ein Mist! Ich schaue aufs schwarze Brett am Eingang. Hier steht, dass es heute Abend um 18:00 Uhr ein Cocktailempfang für die Gäste gibt. Brigitte schaut auf die Uhr, "halb sechs!" Hm, wollen wir außerhalb des Hotels nach etwas Essbarem suchen oder schauen wir uns den Cocktail an. OK, einstimmig entscheiden wir uns für den Cocktail. Im entsprechenden Saal suchen wir uns ein Plätzchen in tiefen weichen Sesseln. Auf den Tischen stehen Schalen mit Erdnüssen und Pistazien. Während wir uns darüber hermachen, bemerken wir, dass die meisten Gäste in Anzug und Abendkleid herumlaufen. Wir schauen an uns herab, Outdoorklamotten und derbe Schuhe. Zum Glück kommen noch einige typische Pauschaltouris in kurzen Hosen, zu engen T-Shirts und Schlappen an. Dagegen sehen wir noch richtig schnieke aus. Endlich wird auch die Bar eröffnet. Der Campari Orange schmeckt nicht schlecht, obwohl er kostenlos ist. Dazu kommt eine marokkanische Folkloretruppe musizierend und tanzend in den Saal, die versucht, so etwas wie Stimmung unter den Leuten zu verbreiten. Leider sind die Tänzerinnen allesamt überhaupt nicht hübsch - sorry meine Damen, aber das war sicher ein Grund, für die nicht aufkommende Stimmung. Dann gibt es eine Verlosung, aber nur unter den Pauschalis. Wir haben keine Tickets mit Nummern, da wir nicht mit einer angemeldeten Reisegruppe hier aufgeschlagen sind. Nachdem das ganze Tamtam vorbei ist, können wir endlich in Richtung Restaurant schlendern. Wir wählen das Fischrestaurant und lassen es uns kulinarisch richtig gut gehen.

Natürlich bin ich wieder als erster wach. Ich sammele die Wäsche ein, die ich gestern Nachmittag zum Trocknen auf dem Balkon aufgehängt habe und gehe zum Frühstück. Danach gehe ich in die Stadt und kaufe ein paar Souvenirs ein. Als ich zurückkomme, sitzen die beiden anderen beim Frühstück, ich geselle mich mit einem frisch gepressten O-Saft dazu. Den Tag bringen wir mit Strandspaziergängen, Tischtennis spielen, und Faulenzen am Pool herum. Halt so typische Tourisachen.

Am nächsten Morgen packen wir unsere Maschinen. Wir stehen vor dem Eingang und sind anscheinend der Blickfang für die vorübergehenden Touristen. Jeder muss uns ein Gespräch aufdrücken und fast jeder fragt uns, ob wir nicht Angst hätten, wenn wir draußen übernachten. "Vor wem denn"? Fragen wir immer zurück. "Na vor denen hier!" ist meist die Antwort und damit sind die Marokkaner gemeint. Wenn wir ihnen dann erzählen, dass es in jeder deutschen Kleinstadt gefährlicher ist als draußen in der Wüste, ernten wir nur ungläubiges Kopfschütteln. Die Schwafelei hält uns länger auf als gewollt, aber die heutige Etappe ist eh nicht so lang. Wir verlassen die Stadt auf einer kleinen Straße Richtung Norden, plötzlich landen wir in einer Sackgasse. Die Weiterfahrt ist durch einen Erdwall blockiert, hinter dem Wall ist ein großer Schotterplatz und von dort aus geht es wieder auf eine Straße. Gang rein, ein kurzer Gasstoß und schon fliegen wir über den kleinen Erdhügel, finden wieder auf den richtigen Weg zurück und verlassen die Stadt.

Nun fahren wir der Küste entlang, links werfen sich die Wellen an den Strand und rechts gibt es nun auch mal was Grünes zu sehen. Das Grüne sind Bananenplantagen, allerdings sind die Bananen um einiges kleiner, als von der EU gefordert. Egal, kurvenreich schrauben wir uns einen kleinen Berg hinauf, auf der anderen Seite wieder runter und biegen nach links ab, auf das Meer zu. Laut Karte sollte es hier auf einer Piste am Strand entlang gehen, doch die schmale Straße führt uns hoch über der Brandung in Richtung Süden. Hier sind wir falsch, also drehen wir trotz des schönen Weges um und finden dann auch gleich den richtigen Abzweig. Die Piste ist sehr steinig und jede Steinspitze die wir überrollen tut mir weh, hoffentlich halten die Reifen das aus. Der Weg führt mal zur tief unter uns liegenden Küste hin und mal wieder weiter ins Landesinnere. Wir kommen wieder in einem Bogen auf das Meer zu. Ab hier führt die Piste hart am Abgrund entlang. Ein Fahrfehler würde uns direkt fünfzig Meter tiefer auf die Felsen in der Brandung werfen. Trotz der Gefährlichkeit ist der An- und Ausblick atemberaubend. Einige Kilometer weiter erreichen wir das Meeresniveau und wühlen uns durch enges Gestrüpp zum Strand vor. In der Ferne liegt scheinbar ein Hotel direkt am Meer. Wir wollen am Strand entlang hinfahren, doch der Sand ist fast wie Schlick und bringt Jürgen fast zu Boden, als das Vorderrad seiner KTM bei ca. 60 Sachen in den Boden gesogen wird und er innerhalb kürzester Strecke auf 0 abgebremst wird. Als wir seine Maschine aus der misslichen Lage befreit haben, fahren wir etwas weiter landeinwärts auf das Hotel zu. Nun mündet von rechts ein Qued ins Meer, das auch noch etwas Wasser führt. Leider etwas zu tief für uns, deshalb fahren wir auf der trockenen Seite das Flussbett hoch, um eine Stelle zu finden, wo wir an das andere Ufer gelangen können. Die Fahrt ist sehr schwierig, da wir über kindskopfgroße Steine müssen. Hier heißt es wieder entweder langsam fahren und fußeln, was ich durch meine Körpergröße bedingt nicht kann oder schnell fahren und Reifen und Felgen riskieren, was ich nun zwangsläufig machen muss. Am schlimmsten ist das Anfahren auf diesem Untergrund. Die Maschine rollt auf die Steine hinauf, der Kontakt zwischen Füßen und Boden geht verloren und während man mehr oder weniger beherzt das Gas aufreißt, um nicht umzufallen, rutschen die Räder seitlich vom Stein weg - natürlich meist in entgegengesetzter Richtung - so dass sich die Maschine um die Hochachse dreht und das Vorderrad wieder vor dem nächsten Stein steht, diesen entweder hoch rollt oder von ihm seitlich weggedrückt wird und man mit viel Kraft und Geschicklichkeit und noch mehr Glück die Maschine gerade so vor dem Umfallen bewahrt. Hat man endlich genug Schwung, haut einem jeder Stein fast den Lenker aus der Hand und man glaubt, die Felgen schreien zu hören. Nach ein paar hundert Metern ist auch diese Hürde genommen und wir umfahren auf einer Piste den Hügel, der nun zwischen uns und dem Meer liegt. Als wir am Hotel ankommen, sind wir enttäuscht. Es ist ein verlassenes Fischerdorf, statt eines schönen Cafés gibt es hier nur verfallene Häuser, schade. Die Piste endet hier, also fahren wir in Richtung Landesinnere weiter und treffen bald auf eine Teerstraße oder zumindest auf die Überreste einer solchen. Von der Fahrspur ist teilweise nur ein ca. fünfzig Zentimeter schmaler Streifen übrig und der ist auch noch unterspült. Stellenweise ist sie dann wieder auf voller Breite da, aber oft fehlt sie komplett und der weggespülte Teil muss weitläufig umfahren werden. Dann erreichen wir wieder die Hauptstraße, münden in Richtung Norden ein und geben unseren Einzylindern die Sporen. Kurz vor Essaouira kommt die Abzweigung zum Campingplatz bzw. Hotel.

Hier waren wir vor zwei Jahren schon und es hat uns gut gefallen. Unser Zimmer hat zur Beheizung einen offenen Kamin und zur Beleuchtung müssen Kerzen angezündet werden, Strom gibt es hier keinen, heißes Wasser erst am Abend. Wir verstauen unser Gepäck im Zimmer und fahren erst einmal nach Essaouira rein. Hier besichtigen wir den Hafen und lassen uns danach in einem Freiluftrestaurant der hiesigen Fischer nieder. Es gibt frische Scampis, aber nur für Brigitte und Jürgen, ich bin für so ein Krabbelzeug nicht zu gewinnen. Danach setzen wir uns noch in ein Café und lassen uns mit Pfefferminztee verwöhnen. Das Abendessen nehmen wir natürlich in unserer Herberge ein. Der Speisesaal sieht wie ein alter Rittersaal aus. Schwere Eisenleuchter sind mit Kerzen bestückt, an der Wand hängen alte Waffen und Gemälde und im offenen Kamin brennen dicke Holzscheite. Zu den vier Gängen trinken wir zwei Flaschen Wein. Vielleicht liegt es daran, dass wir fast eine halbe Stunde brauchen, um das Feuer im Kamin unseres Zimmers zu entfachen.

Das Wetter ist so mild, dass wir draußen in der Sonne frühstücken können. Durch die Bäume schimmert in einiger Entfernung das Meer, Grillen zirpen, Katzen liegen faul auf den Mauern und wir genießen den Moment an unserem gedeckten Tisch. Leider müssen wir doch irgendwann aufbrechen. In der Stadt tanken wir noch mal voll und rollen dann gen Westen, nach Marrakech. Kaum sind wir am Stadtrand angekommen, kommt schon der erste Führer und will uns zu einem Hotel bringen. Aber wir haben unsere eigenen Vorstellungen und uns im Reiseführer schon ein entsprechendes Haus ausgesucht. Schnell haben wir es gefunden, aber es ist ausgebucht. Auch unsere "zweite Wahl" ist ausgebucht. Beim dritten Hotel finden wir endlich Zimmer für uns und eine Garage für die Motorräder. Nach der Dusche laufen wir zum Djemma el Fna, dem Platz der Geköpften, wie er übersetzt heißt. Hier spielt sich das Leben in Marrakech ab. Gaukler, Apotheker, Schlangenbeschwörer, Boxkämpfer, Märchenerzähler, Wasserverkäufer, alles was Marokko so orientalisch macht, ist hier versammelt. Natürlich gehen wir sofort zu "unserem" Stand Nummer 6, einem der vielen Verkaufskarren für frisch gepressten Orangensaft. Hier waren wir vor zwei Jahren schon Stammgäste. Gegen Abend kommt der kulinarische Teil hinzu, kulinarisch allerdings nur für magenfeste Liebhaber arabischer Küche. Überall auf dem Platz werden Fressbuden aufgebaut. Wir laufen durch das hektische Treiben und sondieren das Angebot. Um Innereien, rohe oder gekochte Schafsköpfe usw. machen wir einen Bogen. Doch Reis, Salat, frittierte Auberginen, Hühnchen usw. finden unseren Gefallen. Wir setzen uns an einen der Tische und spachteln, was das Zeug hält. Nach dem Essen schlendern wir noch durch den Souk und dann wieder zum Hotel zurück.

Laut bollernd katapultiert mich die KTM die steile Tiefgaragenausfahrt hinauf, kaum stehe ich an der Straße vor dem Hotel, kommen auch schon ein Haufen deutsche Touries, durch die Geräuschkulisse angelockt, auf mich zu. Sie sind Teilnehmer einer Land Rover Rundreise und wollen wissen, wo wir schon überall gewesen sind. Dann berichten sie von ihrer Tour durch die Todra- und Dadesschlucht. Sie hätten dort ein paar verwegene Typen mit einer pistengerecht umgebauten Ente getroffen, die auch noch ein Motorrad im Kofferraum gehabt hätten. Ein paar Tage später stellte sich heraus, dass dies Schatzis Transalp war. Er hatte einen Platten, aber kein Flickzeug dabei, so dass die zufällig vorbeikommenden Entenfahrer die Maschine kurzerhand einluden und sie samt Fahrer auf der Piste bis zu einer Werkstatt brachten. Das Gespräch mit den Touries will einfach nicht enden. Zum Glück rufen die Fahrer ihre Passagiere zu den Geländewagen. Einer der von unserer Tour begeisterten Leute sagt noch zu mir: "Los, mach mal an, ich will schnell noch mal den Sound hören!" Und so düsen wir aus Marrakech hinaus, halten aber gleich an der Stadtgrenze an, um unsere Regenkombis anzuziehen. Denn gerade fängt es an zu regnen. Wir wollen heute nach Beni Mellal fahren und dort einen Pausentag einlegen, um die Ouzud Wasserfälle zu besichtigen. Aber bei dem Wetter können wir uns das wohl abschminken. Die Strecke wirkt durch das schlechte Wetter recht trostlos, links und rechts der Straße tiefe schlammige Pfützen und ein Ende des Regens ist nicht abzusehen. Plötzlich bleibt Luigi stehen und deutet auf den Berg rechterhand. Durch die trübe Suppe sieht man es schemenhaft, er ist mit Schnee bedeckt! Von der ersten Marokko-Wintertour weiß ich noch, dass wir auf unserem Weg noch hoch hinaus kommen werden. Damals waren keine schneebedeckten Gipfel zu sehen und trotzdem mussten wir über schneebedeckte Straßen rutschen. Diesmal ist wohl mit einer größeren Menge der weißen Pracht zu rechnen.

In Beni Mellal nehmen wir uns ein Zimmer und kramen unsere Karten hervor. Mitten in der Planung kommt eine SMS von Stefan Kremer, der mit einer anderen Gruppe vor uns auf dem Weg Richtung Fes ist. Er schreibt, dass sie kurz vor Ifrane eingeschneit wären und nur schwer vorwärts kommen. Wir suchen uns für den nächsten Tag eine Alternativstrecke um Ifrane herum, so dass wir möglichst nie über 1000 Höhenmeter kommen. Glücklicherweise ist uns heute der Wettergott hold, wir haben schönen blauen wolkenlosen Himmel. Jetzt macht das Fahren wieder Spaß, auch wenn sich im Hinterkopf schon die evtl. glatten Straßen drohend aufbauen. Wir haben wieder Glück, selbst auf ca. 1100 Meter Höhe sind die Straßen, zumindest der in der Sonne liegende Teil, frei von Schnee und Eis. Auf den schattigen Stellen bewegen wir uns nur vorsichtig vorwärts. Links und rechts der Straße ist alles in leuchtendes Weiß verpackt, es sieht fast wie Zuhause aus. Am Nachmittag erreichen wir Fes, beziehen ein Hotel und verabreden uns für den nächsten Tag mit einem offiziellen Führer. Wir legen den Pausentag nun hier in der Königsstadt ein und wollen morgen die Altstadt besichtigen.

Wir quetschen uns in den kleinen Fiat unseres Führers und fahren langsam aber unsicher zum Einstiegspunkt unserer Tour. Durch die engen Gassen geht es zunächst zu einer der Hauptattraktionen, der Gerberei und Färberei. Von der Terrasse eines Hauses aus, haben wir einen prima Überblick über den gesamten Komplex. Geduldig erklärt uns der Führer die einzelnen Arbeitsschritte vom frisch abgezogenen Fell bis zur fertigen Lederware. Ich war das letzte Mal vor ca. 15 Jahren in Fes. Was mir, im Vergleich zu damals, besonders auffällt ist, dass die Dächer der Stadt mit Satellitenschüsseln übersäht sind. Überall runde weiße Flecken. Eigentlich schade um den Anblick, aber der Fortschritt macht, zumindest in dieser Beziehung, auch hier nicht halt. Dann geht es weiter zu diversen Heiligtümern, einer Koranschule, in der gerade Kinder unterrichtet werden, die Bibliothek, verschiedene Märkte und schließlich eine Art Apotheke. Dort erzählt man uns einiges über klassische Medikamente, Parfums und Gewürze, die aus den heimischen Pflanzen gewonnen werden. Bevor wir zum Hotel zurückkehren, fahren wir noch zum Königspalast, besichtigen im jüdischen Viertel eine Synagoge und besuchen eine Keramikmanufaktur. Abends laufen wir durch die Neustadt und finden natürlich wieder ein Internet-Café, wo wir im Transalp-Forum Infos von den anderen Gruppen erfahren, die hier in Marokko unterwegs sind oder waren, die Ersten sind ja schon wieder zuhause.

Heute beginnt unsere letzte Etappe, es geht wieder zurück nach Nador, zum Hafen. Unterwegs lassen wir uns in einer langen Mittagspause ein letztes Mal das marokkanische Essen unter freiem Himmel schmecken. Um nicht zum x-ten Mal die gleiche Strecke zu fahren, biegen wir nicht schon in Guercif nach Norden ab, sondern halten uns weiterhin westlich. Eigentlich wollen wir die Strecke über Hassi Berkane nehmen, fahren aber an der falschen Abzweigung hoch und finden so eine noch nicht in der Karte eingezeichnete Strecke nach Norden. Dieser Verfahrer hat sich aber landschaftlich und fahrerisch gelohnt, kaum Verkehr, viele Kurven und ein schön gelegener Stausee bereichern diesen Weg. Als wir im Hafen ankommen, stehen Aisha (aka Andrea) und Wolfgang schon da. Als wir unsere Bordkarten ausstellen lassen, kommen auch viele der anderen angefahren. Da wir noch einige Stunden Zeit haben, verabreden wir uns in einem ca. 10 Kilometer zurückliegenden Hotel, um noch einmal gemeinsam zu Essen und die Eindrücke auszutauschen. Nach und nach trudeln dort alle ein und wir feiern gemeinsam Abschied von einer tollen und für viele auch die außergewöhnlichste Tour, die von den Transalp-Freunden ins Leben gerufen wurde.