Naher Osten 1996/1 - Pechvogeltour


Unverhofft kommt oft ...

Im letzten Jahr führte mich meine Urlaubsreise in den Nahen Osten. Die kulturellen und landschaftlichen Eindrücke haben mich damals so sehr begeistert, dass ich in diesem Jahr wieder in diese Ecke der Welt fahren wollte. 1995 fuhr ich mit der Fähre von Piräus nach Haifa in Israel und von dort aus über Ägypten nach Jordanien. Diesmal wollte ich jedoch ab Griechenland auf dem Landweg fahren. Über die Türkei nach Syrien und Jordanien und weiter bis nach Israel. Von Israel aus sollte es dann mit der Fähre wieder nach Griechenland gehen.

Nach umfangreichen Vorbereitungen von Mensch und Maschine ist heute endlich der große Tag gekommen. Am Nachmittag starte ich mit meiner vollgepackten Maschine und mache mich auf den Weg zum Fährhafen nach Ancona. Der Himmel ist bedeckt aber noch ist es trocken. Kurz vor der Autobahnauffahrt die erste Enttäuschung. Die Tankstelle die hier immer stand wurde abgerissen. Die Reise beginnt gleich mit einem Umweg zu einer anderen Tankstelle. Eine halbe Stunde später bin ich dann endlich auf der Autobahn. Bei Pforzheim fängt es an zu regnen und ich ziehe den Regenkombi an. Tief in Bayern ist das Wetter wieder besser und ich kann mich wieder aus der Gummihülle befreien. Gegen 21:00 Uhr erreiche ich mein erstes Etappenziel, eine Pension in Schönberg, wenige Kilometer vor dem Brenner. Der nächste morgen begrüßt mich mit Sonnenschein und ich fahre auf den alten Brennerstraße bis kurz vor Bozen, von hier ab geht es auf der Autobahn weiter. Bei Verona fängt es wieder an zu regnen, also wieder rein in die wasserdichte Hülle. In der Poebene schwillt der Regen zu einem Gewitter an, wie ich es nur selten erlebt habe. Innerhalb kürzester Zeit ist aus der Autobahn ein ca. 25 cm tiefer Flusslauf geworden und ich schiebe eine Bugwelle wie ein Schiff vor mir her. Viele Autofahrer lassen sich nicht beeindrucken und rasen weiter als ob nichts wäre. Nach einigen Kilometern hängt ein Wagen ziemlich zerknittert in der Leitplanke. Die meisten Autos fahren achtlos vorbei, einige halten an und gaffen aus dem trockenen Innenraum ihres Fahrzeugs, keiner hilft. Ich halte an und sehe einen verletzten alten Mann auf dem Beifahrersitz. Die relativ unverletzten Angehörigen aus dem verunfallten Auto stehen davor und heulen und schreien. Ich mache ihnen klar, dass sie den Mann vorsichtig in Schocklage bringen und die Blutungen stillen sollen. Einigen Gaffern sage ich, dass sie die Unfallstelle absichern und den Verkehr vorbeischleusen sollen. Da noch keiner ein Rettungsfahrzeug oder die Polizei gerufen hat, fahre ich weiter zur nächsten Notrufsäule und alarmiere die zuständigen Behörden. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen und am ganzen Leib zitternd, setze ich meine Reise fort.

Am Nachmittag bin ich endlich in Ancona. Der Hafen empfängt mich mit einem riesigen Stau, es regnet immer noch und die Straße zu den Fähren ist mit tiefen wassergefüllten Löchern gespickt. Einmal ist eine der Pfützen so tief, dass ich fast vorn über den Lenker falle als sogar der Motorschutz eintaucht und mich jäh abbremst. Ich besorge mir ein Ticket nach Igoumenitsa in Griechenland, wegen des schlechten Wetters allerdings mit Kabine, da ich keine Lust habe die Nacht auf einem schmutzigen und triefend nassen Deck zu verbringen. Am nächsten morgen sieht das Wetter schon wieder besser aus, es ist zwar kalt und bewölkt, jedoch lugt ab und zu die Sonne durch die Wolken. Je näher wir Griechenland kommen, desto wärmer und sonniger wird es. Gegen 23:00 Uhr legt das Schiff im Hafen von Igoumenitsa an und ich rolle von Bord. Auf der Suche nach einem Campingplatz fahre ich einfach einigen anderen Motorradfahrern hinterher und wir erreichen nach ca. 6 km einen schön gelegenen Platz. Da es schon spät ist, hat keiner Lust sein Zelt aufzubauen und so legen wir unsere Matratzen und Schlafsäcke auf den blanken Boden und haben das sternenbedeckte Himmelszelt über uns. Bevor es in die Falle geht, genehmigen wir uns noch ein zwei Bierchen und reden noch die halbe Nacht über dies und das.  Am nächsten Tag bin ich schon um 07:00 Uhr wieder im Sattel und fahre in Richtung Thessaloniki. Ich habe nur mein Protektoren-Shirt und ein weites Cross-Shirt darüber an (natürlich auch noch Hosen). Nach einigen Kilometern ziehe ich jedoch die Jacke wieder drüber, da die Temperaturen doch nicht so hoch sind, wie es der blaue Himmel verspricht. Die Straße führt kurvenreich immer höher in die Berge des Voria- und des Notia Pindos und der Motor schnurrt zufrieden zwischen den Rahmenrohren. Ab und zu bilde ich mir ein ein leichtes Klappern zu hören aber beim anhalten hört sich alles normal an. Hinter einer Kurve öffnet sich unter mir ein ein Tal, in dem eine weiße Wolke wie ein Wattebausch liegt. Das muss ich natürlich gleich fotografieren und halte an. Einfach toll wie hier die Landschaft aussieht, blauer Himmel und grünbewachsene Hügel, die Luft riecht würzig und der Motor der Maschine knistert leise beim abkühlen. Einige Kilometer weiter kommt dann die Kehrseite der Medaille zum Vorschein. Die Straße führt hinunter in das von der Wolke bedeckte Tal und ich muss mich durch die Nebelwand nach unten durcharbeiten. Die mit Wassertröpfchen geschwängerte Luft zieht durch die kleinsten Ritzen in Kragen und Helm und lässt mich frösteln. Endlich im Talgrund angekommen, schwebt die Wolke als grauer Schleier über mir. Auf der anderen Talseite windet sich die Straße wieder durch die feuchte Luft nach oben und schon bald habe ich wieder blauen Himmel und Sonnenschein über mir. Es geht immer höher hinauf und es wird immer kälter. Der höchste Pass mit 1690 m ist der Katara Pass, hier ist es so kalt, dass es mich nicht wundern würde, wenn hinter der nächsten Biegung eine Schneewehe den Weg blockieren würde. Zum Glück ist dem nicht so und von der Kälte etwas verkrampft wedele ich die Serpentinen hinunter.

Bald erreiche ich Kastraki, von hier aus bietet sich ein Besuch der Meteora Klöster an. Die Klöster stehen auf stalagmitenförmigen dunklen Felsen, die hoch in den Himmel hinauf ragen. Es ist ein regelrechter steinerner Wald, mit riesigen Steinsäulen und bizarren Felsnadeln aus Sandstein, der mit Geröll und Steinbrocken vermengt und verbacken ist. Vor mehr als 60 Millionen Jahren soll die Gegend von einem riesigen See bedeckt gewesen sein, der sich im Laufe der Jahre Öffnungen durch das Felsmassiv suchte. Durch diese Ausflüsse strömten die Wassermassen durch die Ebene von Trikala in Richtung Ägäis. Die Kraft des Wassers schliff und zerteilte die Felsen in die stalagmitenartige Gebilde, die noch heute dort zu sehen sind. Im 9. Jhd. seilten sich Eremiten in die Schluchten ab um in den Höhlen und Felsspalten Gebetsnischen zu errichten. Im 12. Jhd. wurde der Grundstock zum ersten Klosterbau gelegt. Die ersten größeren Klöster auf den Felsspitzen entstanden jedoch erst im 14. Jhd. Begründer des ersten Klosters war ein Mönch namens Athanassios Kinovitis, der die gesamte Region auf den Namen Meteora taufte, was soviel bedeutet wie: "In der Luft, zwischen Himmel und Erde schweben". In den folgenden 2 Jahrhunderten wurden weitere 23 Klöster errichtet. Während der Türkenherrschaft im 15. und 16. Jhd. konnten sich die Klöster ihre Eigenständigkeit durch Tributzahlungen bewahren. Sie wahren damals recht vermögend durch den Besitz der umliegenden fruchtbaren Landstriche. Im 17. Jhd. begann der langsame Verfall, da die Forderungen der Türken immer höher wurden und sich die Klöster um die Ländereien in der Ebene stritten. Immer weniger Mönche zog es hinauf zu den Klöstern und ein Anwesen nach dem anderen wurde verlassen. Als der Massentourismus in den 60er Jahren auch in Griechenland begann, kamen zahllose Touristen um die Klöster zu besuchen. Angesichts der riesigen Menschenmassen verließen noch einmal viele Mönche ihre Behausungen und zogen zum Berg Athos, wo nur wenige Touristen eine Genehmigung zum Besuch erhalten. Die Klöster blieben als unbewohnte Museen zurück. Vier Häuser sind heute noch bewohnt und nur sechs lassen sich insgesamt besuchen. Um einen Blick hinein werfen zu können, wird "anständige" Kleidung verlangt. Unbedeckte Schultern und Oberarme sowie kurze Hosen und Röcke werden nicht geduldet. Allerdings halten die Mönche Decken bereit um die sichtbare Haut zu verhüllen. Wurden bis weit in unser Jahrhundert hinein die Mönche noch mit Körben und Netzen zu den Klöstern hochgezogen, so führen heute asphaltierte Straßen zwischen den Felsen entlang zu Parkplätzen nahe bei den Klöstern. Die Aussicht von den Felsen über die fruchtbaren Ebenen ist gigantisch und die verschiedenen Felsformationen wirken besonders in der untergehenden Sonne fremd und bizarr. In den Klöstern bekommt man einen Eindruck von dem schwierigen und kargen Leben der Mönche damals und findet viele Wandmalereien und Ikonen aber auch Werkstätten und Weinkeller. Gerade jetzt in der Nachsaison, wenn nur noch wenige Touristen hier sind, findet man auch Zeit und Ruhe um an schönen exponiert gelegenen Plätzen seinen Gedanken nachgehen zu können und ein wenig zu träumen. Ein Blick auf die Uhr reißt mich jedoch aus meinen Träumereien, ich will ja heute noch etwas weiter kommen.An der Tankstelle gibt es noch etwas Bleifrei für Alpia und eine Cola für mich und schon geht die Reise weiter. Die Straße ist nun nicht mehr so kurvenreich und auch etwas breiter als bisher. Der Verkehr nimmt zu und besonders die LKW werden zahlreicher. Es sind Anzeichen dafür, dass es auf eine größere Stadt zugeht, Larissa. In griechischen Städten zu fahren ist wirklich ein kleines Abenteuer. Verkehrsregeln werden kaum beachtet, der mit dem größten Schneid und der lautesten Hupe hat Vorfahrt. Fußgänger wollte ich hier nicht sein aber auch als Motorradfahrer ist man für die einheimischen Dosentreiber Freiwild das es zu erlegen gilt. Doch wer wie ich schon x-mal Athen gemeistert hat, lässt sich von einem Provinznest wie Larissa nicht abschrecken. Das einzige was mich im Moment schreckt sind die Motorgeräusche meiner Transalp. Das Klappern im Motor wird lauter und ist nun auch im Leerlauf deutlich vernehmbar. Ich fahre erst einmal weiter und überlege, welcher Defekt dafür verantwortlich sein könnte. Es hört sich irgendwie nach zu großem Ventilspiel an.

Als ich nach einiger Zeit bei Platamonas wieder auf die Küste treffe, ziehe ich es vor mir einen Campingplatz zu suchen und der Sache auf den Grund zu gehen. Um dem Motor Zeit zum abkühlen zu geben, baue ich erst einmal das Zelt auf, wasche meine Wäsche und schwimme ein paar Runden im Meer. Der Campingplatz ist fast leer, doch als ich beginne die Maschine zu demontieren, bekomme ich gleich besuch von einem Griechen, der unbedingt wissen will was ich da mache. Da er außer griechisch keine andere Sprache spricht und mein griechisch nur aus einen sehr bescheidenen Grundwortschatz besteht, zieht er unverrichteter Dinge wieder davon. Zunächst kontrolliere ich das Ventilspiel. Das Auslassventil am hinteren Zylinder hat viel zuviel Spiel aber warum? Ich schraube den kompletten Ventildeckel los, kann in aber nicht entfernen sondern nur ein Stück anheben und verschieben, das erste mal, dass ich mir eine BMW wünsche. Mit der Taschenlampe untersuche ich den Kipphebel und stelle fest, dass die Fläche die auf der Nockenwelle läuft völlig abgeschliffen ist. Da bei einem Kilometerstand von ca. 53.000 km ein Materialfehler unwahrscheinlich ist, müsste mangelnde Schmierung der Grund für den übermäßigen Verschleiß sein. Der Ölstand, den ich im Urlaub bei jedem Tanken kontrolliere, liegt seit Reisebeginn unverändert bei Maximum. Ich starte kurz den Motor um zu sehen, ob das Öl auch in ausreichender Menge zur Nockenwelle des hinteren Zylinders kommt. Öl ist genügend vorhanden und ich muss jetzt erst einmal die Sauerei wieder wegmachen. Es gelingt mir den Ventiltrieb auszubauen obwohl der Ventildeckel nicht ganz entfernt werden kann. Die Nockenwelle und die Kipphebel der beiden Einlassventile sind völlig in Ordnung. Also doch Materialfehler? Egal, der Kipphebel ist kaputt, Schmierung ist da und die Nockenwelle sieht aus wie neu. Ich rufe meine Frau zuhause an und erkläre ihr meine Lage. Sie ruft beim Honda Händler meines Vertrauens an und bestellt einen neuen Kipphebel. Den Preis von DM 54,84.- finde ich BMW-like, jedoch dauert es bis übermorgen bis das Teil beim Honda Händler ankommt. In der Zwischenzeit wechsele ich das Öl und langweile mich am Strand oder bei Spaziergängen in der Umgebung. Das Wetter ist auch nicht gerade so wie ich es von Griechenland gewöhnt bin. Regen und Sonnenschein wechseln sich ab und die Temperaturen sind auch nicht gerade spätsommerlich.

Als der Kipphebel endlich beim Händler eintrifft, holt meine Frau ihn ab und schickt in mit DHL (über Nacht, DM 26,45.-) nach Thessaloniki in deren Büro, wo ich ihn abholen muss. Das Versenden über den Schutzbriefservice hätte ca. 2 Tage gedauert, deshalb haben wir uns für diese Variante entschlossen. Thessaloniki liegt ca. 100 km nördlich von Platamonas, ich miete mir einen Christenverfolger (50 ccm-Roller) und mache mich damit auf den Weg zum DHL-Büro. Das Teil ist der reinste Wahnsinn. E-Starter, sämtliche Kontrollleuchten und Tacho funktionieren nicht, das einzige was geht ist die Benzinuhr. Das Vorderrad hat einen tierischen Achter, deshalb flattert der Lenker wie wild hin und her. Allerdings wird das Flattern mit zunehmender Geschwindigkeit (v-max ca. 70 km/h) geringer. Nach endlosen anderthalb Stunden komme ich in Thessaloniki an. Zum Glück brauche ich nur ca. eine dreiviertel Stunde um das DHL-Büro am anderen Ende der Stadt zu finden. Überglücklich das Ersatzteil bekommen zu haben mache ich mich auf den Rückweg. In der Stadt übertrumpfe ich sogar noch die Lokalmatadoren mit ihren Zweirädern. Schlange an der Ampel? Nicht nur zwischen den Fahrzeugen durchmogeln nein, warum ist den auf den Verkehrsinseln soviel Platz. Rote Ampeln? Warum denn anhalten, es kommt doch keiner. Und alles ohne Helm oder sonstige Schutzkleidung. Wahrscheinlich hat mich die Freude zu solch halsbrecherischem Fahrstil verleitet, es hat auch tierischen Spaß gemacht aber im nachhinein finde ich meine riskante Fahrweise nicht mehr so gut. Die Strecke zurück zum Campingplatz zieht sich ewig dahin, vielleicht hätte ich mir doch ein größeres Mopped ausleihen sollen. Wenigstens habe ich Zeit mir die Gegend anzuschauen, schließlich führt die Straße oft genug malerisch am Meer entlang oder streift ein sumpfiges Flussdelta mit Wasservögeln aller Art. Aber irgendwann hat auch der längste Weg ein Ende und ich stürze mich sofort an die Arbeit. Nach einer halben Stunde ist alles zusammengebaut und halbwegs gereinigt. Nun kommt der spannende Moment, ich stecke den Zündschlüssel in das Zündschloss, schalte die Zündung ein und drücke auf den Startknopf. Sofort springt der Motor an und schnurrt wie ein Uhrwerk, kein klappern ist mehr zu hören. Noch eine kleine Probefahrt und die Reparatur ist erfolgreich beendet. Da es schon Nachmittag ist, lohnt sich eine Weiterfahrt heute nicht mehr. Ich packe alles soweit es geht zusammen und lege mich zufrieden an den Strand. Am nächsten morgen klingelt mein Wecker schon um 06:00 Uhr. Nachdem ich mein Lager abgebaut und das ganze Gepäck auf der Maschine verstaut habe, gehe ich mich waschen. Punkt sieben fahre ich aus dem Campingplatz hinaus auf die Straße. Die Luft ist noch recht frisch aber es sieht aus, als ob es ein schöner Tag wird. Viel schneller als gestern bin ich in Thessaloniki, tanke dort noch einmal und biege dann nach Osten ab, Richtung Kavala. Die Straße zieht sich mal durch hügelige Landschaften und mal an der Küste entlang. Meine forcierte Fahrweise lässt mich schnell vorwärts kommen, mit dem Moppel hat man ja zum Glück keine Probleme beim überholen der LKW und meist ist die Straße so breit, dass man auch bei Gegenverkehr noch locker überholen kann. Hinter Kavala lässt der Verkehr nach, dass Fahren wird entspannter. Es geht vorbei an kleinen Seen und Lagunen mit brackigem Wasser, die den zahlreichen Wasservögeln eine Heimat bieten. Von Enten über Reiher bis zu Pelikanen ist hier alles vorhanden. Weiter östlich wechseln sich Baumwollfelder und Weinreben ab. Die Baumwolle ist noch nicht ganz erntereif, nur wenige Knospen sind aufgeplatzt und zeigen ihren Wattebausch. Bei den Weintrauben hat die Lese schon begonnen. Auf großen Tüchern werden sie auf den Feldern ausgebreitet, so werden also Rosinen gemacht.

Mittags habe ich die fast 500 km zur türkischen Grenze geschafft. Bei meiner letzten Türkeireise bin ich total gefilzt worden, deshalb gehe ich ziemlich missmutig zur Passkontrolle. Ich bin fast allein an der Grenze, die Zöllner sprechen deutsch und sind relativ freundlich. Nach fünf Minuten bin ich abgefertigt, und kann weiterfahren. Verwundert frage ich noch dreimal nach und kann es kaum glauben, keine Gepäckkontrolle, kein unnötiges warten. In der Bank wechsele ich noch schnell einen Euroscheck ein und fahre weiter. Die Gegend hier ist ziemlich dünn besiedelt, nur selten streife ich ein kleines Dorf. Doch mit der Zeit wandelt sich das Bild, je näher ich Istanbul komme, desto größer werden die Neubaugebiete und desto dichter und aggressiver wird der Verkehr. Manchmal glaube ich auf einer dichtbefahrenen Autobahn zu sein, allerdings auf der Gegenspur. Die entgegenkommenden LKW und Busse überholen auf Teufel komm raus, als Motorradfahrer gilt man hier nichts. Mehrmals muss ich auf dem unbefestigten Randstreifen ausweichen und werde vom Luftzug der Brummis fast in den Graben geworfen. Ich bin froh als die Autobahn anfängt und man dort relativ unbehelligt seine Kilometer abspulen kann. Teilweise sechs- und sogar achtspurig geht es dann durch Istanbul und über eine der beiden Brücken über den Bosporus, der das Marmarameer und das Schwarze Meer miteinander verbindet. Es ist zwar unspektakulär aber trotzdem irgendwie aufregend wenn man weiß, dass man auf der anderen Seite der Brücke einen anderen Erdteil betritt. Es ist nicht so wie bei Afrika, wo man plötzlich von einer europäischen Kultur nach der Schiffspassage auf die nordafrikanische trifft, hier ist ja auf beiden Seiten alles gleich. Das erhebende Gefühl spielt sich nur im Kopf, in der Vorstellung ab. Ab und zu hupt ein Wagen neben mir und die Insassen winken mir freudig zu oder zeigen mir den erhobenen Daumen. Bei einem Tankstopp hält plötzlich ein Auto mit quietschenden Reifen neben mir. Die fünf Insassen sehen aus wie afghanische Freischärler, fuchteln wild herum und rufen unverständliches Zeug aus den Fenstern. Der Tankwart sagt mir, dass sie was von mir wollen und ich gehe zu ihnen hin. Die Männer sind arabischer Abstammung und freuen sich über meinen arabischen "Transalp" Schriftzug an der Maschine. Nach einigen "as salaam aleikum" (Friede sei mit Dir) und "kiifak" (wie geht's) fragen sie nach meinem Namen und meiner Herkunft. "ismi Carlo, ana almani" (ich heiße Carlo, ich bin Deutscher) antworte ich in gebrochenem arabisch. Mit der englischen Antwort "German, good" geben die Haudegen auch schon wieder Gas und verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Dann frage ich den Tankwart nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Er schreibt mir einen Ort namens Sapanca auf, den ich nach ca. 15 km erreichen werde und dort gäbe es Hotels und Campingplätze.

Sapanca sieht aus wie ein Ferienort für türkische Touristen, jedoch sind keine Touristen mehr da, die Saison ist anscheinend vorbei. Einen Campingplatz finde ich zwar nirgends, jedoch eine kleine Pension. Der Wirt bittet mich hinein und bedeutet mir die Schuhe auszuziehen, dann bekomme ich Pantoffeln an die Füße und das Zimmer gezeigt. Es ist klein aber sauber und ich freue mich schon auf das Bett. Nach der über 800 km langen Tagesetappe (mit einem Schnitt von 101,4 km/h, Fahrradtacho sei Dank) bin ich schon ganz gut geschafft. Nach dem Duschen suche ich mir ein schönes Restaurant und gönne mir ein opulentes Mal. Dann endlich geht's in die Falle. Morgens um halb sieben bin ich wieder Fahrbereit und starte in Richtung Ankara. Es ist kalt und in den Senken etwas nebelig aber ich bin fast allein auf der Autobahn. Einmal fahre ich sogar ca. 10 km ohne das ich einem anderen Fahrzeug begegne. Die Gegend wird immer hügeliger und ich habe starken Gegenwind. Die steilen Steigungen, der wirklich starke Wind der auf die breiten Alu-Boxen trifft sowie mein relativ hohes Tempo von ca. 140-150 km/h treiben den Spritverbrauch ganz schön in die Höhe. Die Kiste säuft fast sieben Liter anstatt der üblichen fünf und 2 km vor der nächsten Tankstelle ist der Tank leer. Zum Glück habe ich noch einen Reservekanister dabei. Bei der Gelegenheit ziehe ich mir noch meine Winterhandschuhe an, da das Kabel meiner Griffheizung überflüssigerweise auch noch abgerissen ist und es trotz Sonnenschein wirklich bitterkalt ist. Hinter der Ortschaft Gerede ist die Autobahn zu Ende und es geht auf einer kleinen Straße den Civcan Pass hinauf. Die LKW fahren hier nur mit Schrittgeschwindigkeit bergauf, dafür rast der Gegenverkehr mit einem Affenzahn hinunter. Mit dem Motorrad ist es zum Glück kein Problem hier zu überholen und den kriechenden und qualmenden Lastern zu entkommen. Eingerahmt zwischen dem 1800 m hohen Karatepe und dem 1900 m Karincali hat die Straße fast alpinen Charakter. Nur sind die Wiesen hier nicht so grün und statt Kirchtürme zieren Minarette die kleinen Ortschaften am Wegesrand. Im Tal unten geht es wieder auf die Autobahn, die immer leicht bergab auf Ankara zuführt.

In Ankara will ich auf die Ringautobahn um nicht direkt durch das Zentrum zu müssen, verpasse aber die richtige Abfahrt und muss nun doch durch das Verkehrsgewühl. Nach ein bis zwei weiteren Problemen mit der Orientierung finde ich schließlich den rechten Weg, der mich südöstlich in Richtung Adana führen soll. Ich wähle eine Nebenstrecke, die mich kurvenreich durch die hügelige Landschaft nach Kappadokien führen soll, dort möchte ich mir die berühmten Felsenwohnungen anschauen, bevor ich weiter nach Syrien fahre. Die Gegend hier ist ziemlich menschenleer, nur selten sieht man ein Dorf, manchmal ein kleines Feld oder eine Schafherde. Da fast keine anderen Fahrzeuge auf der Straße sind, hat sich meine Fahrweise auf gemütliches dahingleiten reduziert, wenn man von einigen Ausweichmanövern wegen Straßenschäden oder auf der Straße herumlungernden Tieren absieht. Mittlerweile ist der Wind auch wieder stärker geworden, teilweise fegt er richtige Sandschwaden übers Land und in mein offenes Visier. Wegen der starken Böen muss ich mich sehr auf das Fahren konzentrieren, deshalb nehme ich bei Kirsehir trotz Karte, Kompass und GPS die falsche Abzweigung. Der Weg führt mich zwar weiterhin in die richtige Richtung aber leider an den Sehenswürdigkeiten Kappadokiens vorbei. Erst als die Autobahn nach Adana beginnt bemerke ich meinen Irrtum, viele Kilometer zu spät. Ich überlege was ich nun machen soll, weiterfahren oder umkehren? Schließlich kehre ich um, erstens habe ich den Wind dann mehr im Rücken und zweitens, wer weiß wann ich wieder in diese Gegend komme. Hinter Nidge werde ich fast wahnsinnig, der Motor fängt wieder an zu klappern. Ich könnte aus der Haut fahren, soll denn nun schon wieder der Kipphebel am A... sein? Da hier weit und breit nur Einöde ist, entscheide ich mich nach einem Blick auf die Karte dazu noch bis Göreme zu fahren, da das Gebiet dort touristisch erschlossen ist und es sicher Telefone und Faxgeräte sowie reichlich Übernachtungsmöglichkeiten gibt. In der Zwischenzeit hat sich der Wind zu einem regelrechten Sand- bzw. Drecksturm entwickelt, der einem Sicht und Atemluft nimmt. Vorsichtig fahre ich weiter und freue mich über die zunehmende Zahl der Werbeplakate für den einen Campingplatz oder das andere Hotel, was mich früher eher abschreckte. Gleich am Ortseingang von Nevsehir lacht mir das Hotel Pacha entgegen. Kurz entschlossen halte ich an, miete mir ein Zimmer und bugsiere meine Klapperkiste durch den mit Teppichen dick ausgelegten Empfang auf die windgeschützte Innenseite der Hotelanlage. Unter den neugierigen Blicken des Personals mache ich mich dann daran die Maschine wieder einmal zu zerlegen. Mit zitternden Fingern hebe ich den Ventildeckel an, der Anblick lässt mich fast nach hinten umfallen, der ganze Zylinderkopf ist voll mit Spänen. Ich baue den Ventiltrieb aus und sehe, das alle Kipphebel beschädigt sind und auch die Nockenwelle an den Lagerstellen eingelaufen ist. Anscheinend war die Ölversorgung des hinteren Zylinders doch nicht ganz in Ordnung. Eigentlich muss jetzt der Motor ausgebaut zerlegt und gereinigt werden. Dann die Schadensursache lokalisiert und sämtliche Schäden behoben werden. Grundsätzlich ist die Reparatur kein Problem für mich, wenn ich zu Hause in meiner Garage wäre. Mit der Ersatzteilbeschaffung würde ich sicher eine Woche hier festsitzen und wer weiß was der türkische Zoll für Probleme macht, lohnt sich dann noch eine Weiterfahrt? Ich könnte auch den Motor meiner anderen Transalp ausbauen lassen und komplett zu mir schicken lassen, allerdings gibt es dann sicher wieder Zollprobleme, außerdem ist im Carnet die Motornummer eingetragen, bekomme ich dann nicht Schwierigkeiten an der syrischen oder jordanischen Grenze? Schweren Herzens beschließe ich aufzugeben.

Ich rufe bei der Schutzbrief-Hotline in Frankfurt an und erkläre mein Missgeschick. Von dort aus wird ein türkischer, deutsch sprechender Agent in Istanbul aktiviert, der sich am nächsten morgen mit mir in Verbindung setzt und mir bei den Formalitäten hilft. Das Motorrad wurde mir bei der Einreise in den Pass eingetragen, damit ich nun nach Hause fliegen kann muss es aus dem Pass wieder ausgetragen werden. Zunächst sucht der Agent das nächstgelegene zuständige Zollamt und spricht dort das weitere Vorgehen ab. Das Zollamt ist in Kayseri, ca. 100 km von meinem Standort in Nevsehir entfernt. Damit das Fahrzeug aus dem Pass ausgetragen werden kann, muss es bis zur Abholung durch die Leute vom Schutzbrief im dortigen Zolldepot eingestellt werden. Also wird ein kleiner Pick Up organisiert, der das Mopped nach Kayseri bringt. Schon am Mittag ist das Fahrzeug da. Da die Transalp viel schwerer ist als der Fahrer gedacht hat, ist es nicht einfach sie auf die Ladefläche zu schaffen. Schließlich fährt er an, nein fast in einen kleinen Hügel vor dem Hotel. Mit Hilfe des Hotelpersonals schieben wir die Alpia über den Hügel auf die Ladefläche, diagonal passt sie gerade so drauf. Der Fahrer hat nur einen kleinen Kälberstrick für das Festzurren der Maschine dabei, da bin ich doch froh, dass ich so zahlreich mit Verzurrgurten für mein Gepäck ausgestattet bin, in wenigen Minuten ist das Gerät sicher auf der Ladefläche befestigt. Dann fahren wir endlich los. Der Kleintransporter, ein Anadol Autosan 500 türkischer Produktion ist eine Art Trabbi mit Ladefläche und hat seine besten Zeiten schon hinter sich. Der Anlasser geht nicht, weshalb wir ihn anschieben müssen, bzw. wird der Motor erst gar nicht abgestellt, an den fauchenden Ansauggeräuschen hört man, dass der Luftfilter fehlt (is halt getunt ey) und die Sicherheitsgurte wurden sicher aus Gewichtsgründen entfernt. Bergab läuft er recht flott doch bergauf werden wir fast von Eselkarren überholt, einmal will ich fast aussteigen und schieben. Die Überholmanöver sind recht haarsträubend und mehr als einmal schließe ich mit dem Leben ab. Schließlich kommen wir doch noch heil in Kayseri an. Auf dem Zollamt will keiner was von einer Abmachung wissen und als ich meinen türkischen Agenten anrufen will, werde ich zum telefonieren zum Postamt geschickt. Endlich beim Postamt, rufe ich in Istanbul an und erkläre die Lage. Der Agent will beim Zoll anrufen und mich dann auf dem Postamt zurückrufen, um mir dann die weiteren Maßnahmen mitzuteilen. Es ist schon viertel nach vier und um halb fünf machen Post und Zoll zu. Um fünf nach halb fünf kommt endlich der Rückruf, die Postleute haben extra für mich Überminuten gemacht. Beim Zoll geht heute natürlich nichts mehr aber wir sollen morgen früh gleich wieder hin und uns bei einem gewissen Mr. Haluk melden, er weiß dann schon bescheid. Als wir nach halsbrecherischer Fahrt endlich wieder beim Hotel sind, ist es schon dunkel. Im Hotel bin ich fast der einzige Gast, deshalb hat das Restaurant zu und ich muss, wie gestern Abend schon, ins Dorf zum Essen. Da sich mein Missgeschick schon im ganzen Dorf herumgesprochen hat und ich seit gestern schon viele Leute hier kennen gelernt habe, werde ich begrüßt wie ein alter Freund. In der Dorfkneipe wird gerade ein Fußballspiel übertragen, natürlich bekomme ich den besten Platz und der Fernseher wird noch etwas in meine Richtung gedreht. Wenn die wüssten, dass mich Fußball überhaupt nicht interessiert. Mich wundert, dass die Türken hier alle Bier trinken und frage deshalb nach dem Spiel einen deutsch sprechenden jungen Mann wie sich der Alkohol mit dem Islam vereinbart. Er antwortet mir, dass die Türken alle gläubige Muslime sind aber auch mal ganz gerne eine Flasche Bier oder ein Glas Wein trinken. Deshalb werden sie von den arabischen Muslimen auch oft die Brut Satans genannt. Nachdem es hier mit dem Alkohol etwas lockerer gesehen wird, bestelle ich mir auch noch ein Bier, aus verständlichen Gründen ist es nicht das letzte heute Abend.

Am nächsten morgen sitze ich wieder um sieben Uhr beim Frühstück. Der Fahrer wollte mich um acht Uhr abholen. Um neun Uhr kommt er endlich und bringt auch noch seinen Vater mit, heute sitzen wir zu dritt auf der Zweierbank des Autos. Der Wagen, der über nacht auf dem bewachten Hotelparkplatz stand, springt nicht an. Auch anschieben hilft hier nicht. Schnell wird aus dem Dorf ein Traktor besorgt der es schafft den Wagen anzuziehen. Nach einigen Kilometern bleibt die Fuhre stehen zum Glück bergab, da ja der Anlasser nicht geht. Also alles aussteigen, Motorhaube auf und nach dem Grund gesucht. Der Benzinfilter ist fast leer und wenn man den Gashebel betätigt spritzt die Beschleunigerpumpe des Vergasers nichts ein. Klarer Fall, entweder ist der Tank leer oder die Benzinpumpe hinüber. Der Fahrer glaubt nicht an einen leeren Tank, schließlich habe er gestern morgen erst vollgetankt. Er sucht ein Telefon um einen Freund um Hilfe zu bitten. In der Zwischenzeit schnitzt sein Vater eine Rute zurecht, um sie in den Tank zu stecken und den Benzinstand zu detektieren. Die Rute bleibt natürlich trocken. Ich schlage vor, das Benzin aus dem Motorrad abzulassen und in den Tank zu füllen, bis zur nächsten Tankstelle reicht das dicke. Aber nein, er besteht darauf zur nächsten Tankstelle zu trampen und dort mit einem Kanister Benzin zu holen. Nach einer viertel Stunde ist er wieder da und in der Zwischenzeit ist auch sein Freund angekommen. Der wechselt vorsichtshalber erst einmal alle Benzinleitungen und reinigt die beiden Kraftstofffilter. Dann wird der kostbare Brennstoff eingefüllt, natürlich alles mit der brennenden Kippe im Mundwinkel und mit vereinter Kraft das Auto angeschoben. Alhamdullilah (Gott sei Dank) rufe ich erfreut als der Motor endlich anspringt. Für die türkischen Freunde ist dieses eine arabische Wort Anlass genug überall lachend zu erzählen, dass ich arabisch sprechen kann. Zu meiner Verwunderung sprechen die Türken kaum ein arabisches Wort, wo doch der Koran auch in der Türkei in arabischer Sprache erscheint. Punkt zwölf Uhr sind wir wieder beim Zollamt, nur ist hier von zwölf bis halb zwei Mittagspause. Genervt laufe ich mit meinem Fahrer durch die Straßen. Wir reden in einem Gemisch aus deutsch, englisch und türkisch miteinander, meist überwiegt jedoch die Zeichensprache. Wir haben viel Spaß dabei und die Zeit verfliegt im nu. Zurück beim Zollamt (auf türkisch GÜMRÜCK) finden wir auch endlich einen Ansprechpartner. Meine Personalien werden aufgenommen, die Daten der Maschine notiert und viel Papier hin und her getragen. Dann muss der Chef des Amtes unterzeichnen. Jetzt geht es zur Maschine und die Motor- und Fahrgestellnummer werden kontrolliert. Dann wird alles noch mal mit der Schreibmaschine abgeschrieben und wir müssen das Motorrad zum Zolldepot einige Straßen weit entfernt bringen. Dort schiebe ich es in eine Lagerhalle und stelle es in einem abgeschlossenen Nebenraum ab. Nach der Schlüsselübergabe werden wieder Papiere ausgefüllt und abgestempelt und wir fahren wieder zum Zollamt zurück. Jetzt werden die Papiere neu geordnet und wir müssen mit einer Anzahl von Blättern los und einen Copy-Shop suchen, das Amt hat anscheinend keinen Kopierer. Mit den Originalen und den Kopien kehren wir wieder zurück. Wieder wird sortiert, unterschrieben und gestempelt und dann alles verteilt. Einige Papiere für mich und ganz viele für die Behörde. Unter anderem musste ich unterschreiben, dass die Maschine an den türkischen Staat übergeht, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten abgeholt wird. Na, hoffentlich klappt alles mit dem Fahrzeugrückholdienst, sonst stehe ich in ein paar Wochen wieder hier um meine Alpia persönlich rauszuholen. Jetzt wo alles behördliche getan ist werden die Beamten freundlicher, bestellen Tee und sieh an, sie sprechen auf einmal deutsch mit mir. Nach dem Austausch von netten Worten über Deutsche und Türken und diversen Einladungen die ich jedoch ablehne, verabschiede ich mich und lasse mich wieder zu meinem Hotel fahren. Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl, werde ich mein Mopped wiedersehen? Ist noch alles dran und unbeschädigt wenn es wieder in Deutschland ist?

Der nächste Tag ist wettermäßig der schönste und nach einem kurzen Gespräch mit dem Istanbuler Agenten, der mir einen Flug für den nächsten Tag besorgen will, ziehe ich meine Wanderschuhe an und hänge mir den Fotoapparat um. Heute will ich mir endlich mal die Gegend anschauen. Ich laufe die zwei bis drei Kilometer zur Ortschaft Göreme hinunter, weil da ein besonders schönes Tal mit in den Fels gehauenen Kirchen und Wohnungen beginnt. Auf dem Weg mache ich noch einige Abstecher querfeldein und versuche immer wieder einen offroad mäßigen Zugang zum Tal zu finden. Nachdem ich zweimal beinahe von den bröckelnden Felsen in die Tiefe gestürzt wäre, ziehe ich den Umweg über die Straße vor. Es reicht ja, dass die Maschine kaputt ist. Göreme selbst ist natürlich touristisch voll erschlossen, Restaurants, Hotels und Autovermietungen gibt es hier an jeder Ecke. Zum Glück ist die Saison so gut wie vorbei, nicht auszudenken wie es hier zugeht wenn auch noch Tausende von Pauschis herumwuseln. Ich finde gleich den richtigen Einstieg zum Tal und bin, soweit ich das beurteilen kann, der einzige der hier durchläuft. Sind die Hügel am Anfang noch alle ausgehöhlt und teilweise sogar bewohnt, wechselt das Bild bald zu hohen, säulenartig geformten Felsen und ganzen Felswänden, die von Wind und Wetter mit unzähligen Furchen, Einschnitten und Kerben übersäht wurden. Es geht durch Tunnel, die von Bächen herausgespült wurden und über messerscharfe Grate immer tiefer ins Tal. Wo der Boden eben ist wurden Obstbäume und Wein gepflanzt. Manche der schlanken Felsen sind mit einem runden oder flachen Stein gekrönt, andere sehen aus wie Kamine, Pilze oder Hüte. Der Rückweg führt mich an der anderen Talseite entlang. Hier ragen die Felswände senkrecht nach oben und haben eine glatte Oberfläche. Weiter unten, wo der Ort beginnt, kann man sich Zimmer oder besser Höhlen mieten, die vor Jahrhunderten in den Stein gehauen wurden. Leider wurden auch die Felsen mit entsprechender Werbung bepinselt und hie und da nachträglich behauen um die Touristen zu locken. Einige hundert Meter weiter beginnt ein weiteres Tal, das mit kegelähnlichen Felsen in jeder Größe übersäht ist. Die meisten sind hohl und haben über mehrere Stockwerke verteilt Fenster oder auch kleine Öffnungen. Hier ist schon mehr los, einige Reisebusse haben in diesem Tal ihre Ladung ausgespuckt aber glücklicherweise sind die meisten Leute zu faul zum laufen und begnügen sich mit den Sehenswürdigkeiten in der Nähe des Parkplatzes. Wie ich schon bald feststelle, haben die Besucher aus den Zeugnissen der Vergangenheit Müllbehälter und Toiletten gemacht. Man traut sich kaum einen Schritt in die dunkleren Teile der Behausungen zu machen, die biologischen Tretminen lauern überall. Vielleicht sollten die zuständigen Institutionen nicht nur an eine geldeinbringende Versorgung mit Speisen Getränken und Souvenirs denken sondern auch an eine Entsorgung des Mülls und der Fäkalien, was natürlich Geld und Aufwand kostet. Auf Dauer gesehen bleiben die Sehenswürdigkeiten dann sauber und ansehnlich und locken immer wieder zahlende Gäste an.

Da ich schon einige Stunden durch die Gegend gelaufen, geklettert und gesprungen bin, tun mir langsam meine Füße weh und ich trete den Rückmarsch an. In Göreme esse und trinke ich noch eine Kleinigkeit, um mich für den steil bergan führenden Rückweg zu stärken. Endlich wieder zurück im Hotel, springe ich erst einmal in den Pool. Das Wasser ist eiskalt, eigentlich viel zu kalt zum schwimmen. Schon nach wenigen Bahnen ziehe ich es vor mich auf einer der Liegen in der Sonne zu legen. Nach dem bisherigen kalten und regnerischen Wetter eine echte Wohltat. Am Abend werde ich vom Hotelchef und seinen Freunden zum Essen eingeladen. Einer der Freunde hat gekocht und kredenzt nun stolz das Mahl. Dabei sitzen wir auf dicken Teppichen und Kissen um einen niedrigen Tisch mit einem riesigen Metallteller. Auf dem Teller werden dann Platten mit Fleisch und Salaten sowie einige Laibe Brot serviert und schon geht es mit lautem Geschmatze und Geschlürfe los. Mit dem Brot wird die Fleischsoße aufgetunkt und kleine Fleischbrocken gegriffen, die Gabel nehmen wir nur für den Salat. Die Tischsitten, besonders die lauten Geräusche, sind zwar ungewohnt machen aber trotzdem Spaß. Nach dem Essen wird Eiswasser gereicht, allerdings trinkt jeder aus dem gleichen Glas, das von einem Bediensteten immer wieder neu gefüllt wird. Nach dieser Zeremonie strecken wir uns einfach auf dem Boden aus, die anderen rauchen eine Zigarette und ich versuche dem Qualm auszuweichen. Danach müssen mir meine Gastgeber zeigen, dass es auch in der Türkei Handys gibt, indem sie wahllos irgendjemand oder auch sich gegenseitig anrufen. Damit ich bei ihrer Angeberei mitmachen kann, hole ich mein GPS und mache auf ganz wichtig. Als die Telefone wieder verschwunden sind, wird der Fernseher auf einem Tisch herangerollt denn ein wichtiges Fußballspiel wird übertragen (echt ätzend). Als die erste Halbzeit vorbei ist, verabschiede ich mich um endlich in mein Bett zu kommen.

Um neun Uhr morgens stehe ich mit meinem Gepäck an der Bushaltestelle in Nevsehir und warte auf den Bus. Zum Glück ist er fast leer, denn ich sitze am liebsten weit vorne, hinten verträgt mein Magen die Schaukelei nicht. An der nächsten Haltestelle werden alle Plätze aufgefüllt und ich muss in die vorletzte Reihe ausweichen, da die Tickets nummeriert sind (würg). Hoffentlich überstehe ich die drei bis vierhundert Kilometer lange Fahrt ohne das gute Essen vom Vorabend zu verlieren. Nach ca. einer Stunde Fahrt wird das nervige Treiben der vier Kinder hinter mir ruhiger. Dann fängt einer nach dem anderen an sich zu übergeben. Sicher kann sich jeder vorstellen wie mir jetzt zumute ist (schluck). Als die Kinder wieder einigermaßen auf den Beinen sind, geht der Schaffner durch und spritzt jedem ein paar Tropfen einer nach Zitrone riechenden Flüssigkeit in die Hände. Ich reibe mir Hals und Stirn damit ein und fühle mich gleich frischer. Nach einer weiteren Stunde wiederholt sich das ganze Spiel, erst die Kinder mit ihrem Würfelhusten, dann der Schaffner mit seinem flüssigen Erfrischungstuch. Danach werden Wasser und Fruchtsäfte verteilt, alles inklusive. Am frühen Nachmittag erreichen wir endlich Ankara und stoppen auf einem riesigen Busbahnhof, der mit vier zu befahrenden Ebenen übereinander der größte ist den ich je gesehen habe. Als ich mein Gepäck hole ist auch schon ein Taxifahrer da der mich zum ca. 25 km entfernten Flughafen bringt. Als ich dort nach meinem hinterlegten Ticket frage, werde ich auf später vertröstet, der Rechner ist abgestürzt. Als er wieder läuft, gebe ich meinen Zifferncode für das Ticket an und ... "Sorry sir, there is no ticket for you!" Verdammt denke ich, in diesem Urlaub ist doch überall der Wurm drin. Als ich der jungen Dame meinen Namen sage, findet sie doch noch das Ticket. Erleichtert gehe ich zum Gepäckschalter und zur Passkontrolle. Nach der Passkontrolle werden alle Passagiere noch einer Leibesvisitation unterzogen und das Handgepäck kontrolliert. Als mich der Zöllner mit meinem Rucksack in der einen Hand und dem Helm in der anderen sieht, sagt er mit väterlicher Stimme "come on, no problem, no problem" und winkt mich unkontrolliert durch. Na, wenigstens etwas, denke ich mir. Als die Maschine endlich abhebt, sitze ich entspannt in meinem Sitz und beobachte den Monitor über mir, auf dem ein Landkartenausschnitt und die Position und Flugrichtung des Flugzeugs gezeigt wird. Außerdem werden ständig Temperatur, Uhrzeit, Geschwindigkeit, Entfernung vom Startort und zum Ziel sowie die vorgesehene Reisedauer angezeigt. Fast wie bei meinem GPS denke ich schmunzelnd. Nach ein paar Minuten wundere ich mich darüber, dass das Flugzeug immer noch so tief und dem Monitor nach immer noch nach Süden fliegt. Dann auf einmal fliegt der Vogel auch noch so enge Kurven, dass mein Mopped wahrscheinlich mit dem Lenker aufgesetzt hätte und es ertönt die Durchsage, das wir wegen einem Defekt nach Ankara zurückfliegen würden. Nach der Landung rollen wir zum Terminal zurück und bekommen gesagt, das wir nach der Reparatur wieder starten werden. Als nach einer knappen Stunde ein Tankwagen auftaucht ist klar, dass es gleich wieder losgeht. Dreieinhalb Stunden später landen wir endlich sicher in Stuttgart. Ich will es nicht beschreien aber bei meinem Glück fehlen nur noch Probleme mit der Rückholung der Alpia.