Türkei 1981: Bericht |
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1981 war ich mit dem Jagdbombergeschwader 35 (JaboG 35) zum Staffelaustausch mit einem türkischen Jagdbomberverband in der Türkei. Ich war für die Hydraulikanlagen an unseren Phantom F-4F zuständig, mein Kumpel Olli für die Elektrik. Gemeinsam mit vielen anderen Technikern flogen wir nach Eskişehir zum dortigen türkischen Militärflugplatz, um unsere Maschinen zu warten und bei Bedarf zu reparieren. Diese Erlebnisse, zumindest soweit ich mich daran erinnere, habe ich im Jahre 2008, also 27 Jahre danach geschrieben ... Eine Story, die während des Hinfluges in einer Transall - heute fahre ich u. a. Transalp :-) - stattfand, ist mir noch gut in meiner Erinnerung. Nach einer Weile Flugzeit wurde einem der Kameraden schlecht und er übergab sich in eine der entsprechend bereitliegenden Tüten. Darüber mussten einige andere Kollegen lachen und machten sich über den Armen lustig. Daraufhin nahm der "Kranke" einen Löffel und begann den Inhalt der Tüte zu essen. Die Lacher verstummten augenblicklich und fingen selbst an zu spucken. Sehr zur Freude des ersten Kotzers, denn der hatte seine Tüte schon zu Hause mit Haferflocken präpariert und die ganze Sache nur gespielt ;-). Um die Mittagszeit machten wir eine Zwischenlandung in Brindisi/Süditalien. Zufällig standen dort zwei Phantoms eines anderen deutschen Geschwaders. Die Piloten wollten starten, aber das italienische Bodenpersonal sagte nein, wir machen jetzt Mittagspause. Unsere Techniker halfen aus, indem sie die Triebwerke der beiden Maschinen mit Kartuschen statt mit der pausierenden italienischen Startturbine starteten. So konnten die Besatzungen doch noch pünktlich Heim fliegen. Das Erste was uns auf dem türkischen Flugplatz in Eskişehir verwundert hatte war, dass dort überall Storchennester mit den zugehörigen Vögeln zu sehen waren. Auf unserem heimischen Airport wurden von Zeit zu Zeit selbst kleine Vögel vergrämt, um einen Vogelschlag mit startenden oder landenden Flugzeugen zu vermeiden. Durch ihre Ausmaße sollten die Störche ja noch eine größere Gefahr für den Flugverkehr darstellen. Das Mittagessen in der dortigen Kantine war für uns damals sehr gewöhnungsbedürftig. Wir konnten weder die Speisekarte entziffern noch an den Speisen selbst herausschmecken/-riechen/-sehen, was da so alles auf dem Teller lag. Obwohl die türkische Küche eigentlich sehr schmackhaft ist, das dortige Kantinenessen war nicht unser Fall. Doch hungern mussten wir zum Glück nicht, irgendwas konnten wir immer organisieren. Ein typischer Tag auf diesem Kommando sah ungefähr so aus: Morgens kamen wir in die Halle, da stand ein Schuhputzer bereit, der allen die Stiefel wienerte. Danach ging es weiter in die entsprechenden Werkstattbereiche. Die türkischen Kollegen begrüßten ihren Chef mit Wangenkuss, auch dies war ziemlich ungewohnt für uns ;-). Als nächstes klatschte der Chef in die Hände und ein junger Soldat brachte Tee für alle. Nach einer Weile der Konversationsversuche mit etwas Englisch und viel Händen und Füßen, mussten wir dann irgendwann auch mal an unseren Maschinen Hand anlegen. Doch dazu kamen wir fast nicht. Egal was zu tun war, sofort waren die türkischen Hydrauliker zur Stelle und erledigten meine Arbeit - zumindest den Ausbau der defekten Teile. Wenn unser Flugwerkprüfer nicht darauf bestanden hätte, dass ich die Ersatzteile selbst einbauen und einstellen muss, hätte ich mir die Finger überhaupt nicht schmutzig machen müssen. Der oben genannte "Stiefelknecht", sowie die anderen jungen Männer, die stets mit irgendetwas zu Diensten waren, waren Wehrdienstleistende und vom Rang her Mannschaftsdienstgrade. Beim türkischen Militär durften diese Soldaten während ihrer gesamten Dienstzeit nicht nach Hause, waren in furchtbaren Unterkünften untergebracht und wurden von den Vorgesetzten zum Teil mit Ohrfeigen "bestraft". Undenkbar für deutsche Soldaten und erst recht nicht in unserer Luftwaffe. Damit die beiden Mannschaftsdienstgrade unserer Truppe besser untergebracht und behandelt werden, wurden sie für die Dauer des Kommandos als Unteroffiziere ausgegeben. Zum Übernachten wurden wir in einem Hotel in der Stadt untergebracht. Eines Abends saßen Olli und ich zusammen mit einigen türkischen Kollegen vom Flugplatz im Foyer des Hotels und übten uns in der bereits oben beschriebenen Konversationstechnik. Irgendwann luden uns zwei von ihnen zu einer Party ein. Es gäbe dort Musik und auch Mädchen. Das machte uns natürlich neugierig, irgendwie konnten wir uns das nicht wirklich vorstellen. Die Party wäre zwar etwas außerhalb der Stadt, aber mit einem Taxi sei das kein Problem. Olli hatte plötzlich keine Lust mehr und so machte ich mich alleine mit den beiden Kollegen auf den Weg. Links und rechts wurde ich untergehakt, fast hingen meine Füße in der Luft, und so marschierten wir zu einem Taxistand. Wir fuhren aus der Stadt hinaus, draußen war alles dunkel. Mir wurde irgendwie mulmig zumute. Hoffentlich sollte ich nicht das Mädchen auf der Party sein ;-). Irgendwann erreichten wir einen Gebäudekomplex, der wie ein Gehöft aussah. An der Eingangspforte wurden die Ausweise kontrolliert, ich hatte meinen aber im Hotel gelassen. Kein Problem, die beiden Kumpels erzählten, dass ich ein Freund aus Deutschland sei und so durfte ich mit hinein. Erst jetzt merkte ich, was mit Party und Mädchen gemeint war. Das Ganze war ein riesiger Puff. Die beiden führten mich durch die verschiedenen Häuser und ich sollte mir alle Mädchen ansehen. Danach sollte ich meine Wahl treffen, sie würden alles bezahlen. Mit Händen und Füßen und dem Bild meiner damaligen Freundin erklärte ich den beiden, dass ich das großzügige Angebot zwar zu schätzen wüsste, ich aber diesen "Service" nicht benötige. Während meiner Erklärungsversuche schleppten sie mich weiter, anscheinend zum Zimmer ihrer "Stamm-Dame". Diese griff mir beherzt zwischen die Beine und meinte, "ficki-ficki gut!" Fast fluchtartig und unter dem Gelächter der anderen entwischte ich ins Treppenhaus. Einer der Kollegen folgte mir und wir setzten uns auf ein Bier in eine Art Kneipe auf dem Gelände. Dort warteten wir, bis der andere Kollege sein "Geschäft" erledigt hatte. Danach fuhren wir mit dem Taxi ins Hotel zurück. Olli konnte kaum an sich halten vor Lachen, von solch einer Party war ich erstmal geheilt. Übers Wochenende wurde eine Busfahrt nach Istanbul organisiert. Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir die riesige Stadt und wurden zu einem Hotel im Zentrum gebracht. Unser Zimmer hatte eine tolle Aussicht - nämlich die nur wenige Meter vor unserem Fenster stehende Betonwand des Innenhofes. Egal, wir wollten im Zimmer eh nur schlafen, zum Schauen wollten wir raus in die Welt. Am nächsten Tag, beim Durchstöbern der Basare, trafen wir auf einen interessanten Mann. Er war ein Imam, der eigentlich in Köln lebte und dort auch Radiosendungen für seine islamische Gemeinde moderierte. Mit ihm zusammen besichtigten wir Moscheen, er zeigte uns historische Gebäude und Mauern und erzählte interessante Dinge zum Islam und zur türkischen Geschichte. Kraft seines Amtes brachte er uns auch zu heiligen Stätten, die normalerweise kein Tourist zu sehen bekommt und die nur den Einheimischen vorbehalten sind. Trotzdem waren wir dort gern gesehene Gäste und konnten uns problemlos alles anschauen. Auf dem Vorplatz der blauen Moschee trafen wir auf deutsche Soldaten in Ausgeh-Uniform. Wir waren ja Privat unterwegs und gaben uns als Luftwaffen-Kameraden zu erkennen. Die anderen waren vom Bundeswehr-Musikcorps und wegen eines internationalen Militär-Musik-Events in Istanbul. Wir beobachteten sie beim Handeln mit Verkäufern von Ledersitzkissen (nur die Lederhülle ohne Füllung), wie sie damals in Mode waren. Stolz erzählten sie, dass sie so ein Kissen für 10 DM erhalten haben. Daraufhin zeigten wir ihnen, dass "die Luftwaffe" noch besser handeln kann, wir bekamen gleich zwei dieser Bezüge für umgerechnet nur 5 DM ;-) … Nachdem wir uns abends im Hotel wieder frisch gemacht hatten, gingen wir los um ein Restaurant zu suchen. Unterwegs stoppte ein Taxifahrer und bat die Raucher unter uns um amerikanische Zigaretten. Im Fond saß eine hübsche junge Frau und der Fahrer fragte uns, ob wir auch für sie Zigaretten hätten. Bereitwillig änderten die Glimmstengel den Besitzer. Dann fragte uns der Taxichauffeur ob wir mit der Frau f***** wollten und lachte. Auch die Frau lachte. Ob sie das verstanden hatte? Zumindest verstand ich die Welt nicht (mehr). Zuerst wurden wir in einem Vorbriefing gebeten, auf Alkohol weitgehend zu verzichten, aber das Erste was wir in der Türkei sahen, waren einige herumtorkelnde Einheimische. Dann dachte ich, dass hier immer alles ziemlich "keusch" abläuft und werde dann in einen Puff geschleppt oder direkt auf der Straße "verkuppelt". Damals war ich halt noch jung und Reiseunerfahren ;-). Später im Restaurant bestellten wir eine schöne Grillplatte. Alles war lecker, nur so ein komisches Teil, das wie ein halbes gegrilltes Hühnerei aussah, kam uns komisch vor. Es schmeckte trocken und nach nichts. Nach dem Essen sahen wir die gleichen Teile, nur vollständig und roh, im Schaufenster einer Metzgerei liegen. Wir fragten unseren türkischen Busfahrer, der nach dem Essen zu uns gestoßen war, was das sei. Er lachte und meinte. "... ist die Ei von die Esel!" Was tun mit dem angefangenen Abend? Zuerst gingen wir in ein Lokal, in dem sehr laut türkische Musik gespielt wurde. Wir konnten uns kaum verständigen, so laut wurden die Verstärker aufgedreht. Plötzlich wurde die Musik etwas leiser und rhythmischer. Eine alte Frau mit irgendwas in einer Decke eingewickelt kam herein. Dann öffnete sie die Decke und heraus kam ein wunderhübsches Mädchen in einem Bauchtanzkostüm. Sofort wirbelte sie zum Takt der Musik los, schwang ihr Becken, kreiste die Schultern. Gespannt starrten wir auf dieses Schauspiel. Dann steckten ihr die Leute am Nachbartisch dem Mädchen Geld zu. Daraufhin sprang sie auf deren Tisch und tanzte dort unter dem Geklatsche der Umsitzenden weiter. Etwas später steckten sie ihr wieder Geld zu und schickten sie auf unseren Tisch. Auch hier drehte und wand sie sich zur lasziv zur Musik. Wir saßen (ganz sicher) staunend und mit offenen Mündern da ;-). Nach einiger Zeit kam die alte Frau wieder und das Mädchen tanzte sich in die verhüllende Decke zurück. Wahrscheinlich ging es für sie nun zum nächsten Lokal weiter. Am folgernden Tag hatten wir bis zum Nachmittag Zeit, um uns weiter die Stadt anzuschauen. Mit einem Taxi fuhren wir zum Goldenen Horn, einer lang gezogenen Bucht des Bosporus. Damals wandelte sich die Gegend gerade von einem Industriestandort zu einer touristischen Sehenswürdigkeit. Ein netter Passant nimmt sich unserer an. Er führt uns etwas herum, erklärt die Gegend und lädt uns zum Tee ein. Von dem erhaben gelegenen Lokal aus hat man einen schönen Blick über den geschichtsträchtigen Bosporus. Nachdem wir uns herzlich für die Führung und den Tee bedankt haben, fuhren wir wieder in die Şehir Merkezi (Stadtmitte) und stapften durch die Gassen. Vor einem Lokal saßen viele Männer unter einer Markise und schauten sich ein Fußballspiel im Fernsehen an. Sofort wurden wir eingeladen uns dazu zu setzen und bekamen natürlich wieder Tee serviert. Olli und ich waren (und sind) beide keine Fußballfans und selbst wenn, das Bild war so grisselig, dass man kaum was erkennen konnte. So verabschiedeten wir uns recht bald und liefen zum Hotel zurück. Zudem durften wir auch den Bus nicht verpassen, wir mussten ja zum Flugplatz nach Eskişehir zurück. Ein paar Tage noch hatten wir mit unseren Flugzeugen zu tun, zumindest tagsüber. Abends liefen wir durch Eskişehir und schauten uns um. Die Stadt war natürlich kein Vergleich zu Istanbul, aber für uns orientalisch und fremdartig genug, um über viele Dinge erstaunt oder belustigt zu sein, die heute für uns fast selbstverständlich sind. Auf der Suche nach einem netten Mitbringsel, stießen wir überall auf Meerschaumpfeifen. Eskişehir ist ein Zentrum der Verarbeitung dieses seltenen Tonminerals, auch Sepiolith genannt. Natürlich haben wir uns solche Pfeifen als Souvenir mitgenommen. Daneben auch jeweils eine schöne Wasserpfeife und den zugehörigen Tabak. Die Souvenirs waren nur eine materielle Erinnerung. Die Erlebnisse und Geschichten aber, noch einige mehr als ich hier erzählen kann, waren viel wichtiger für uns und besonders für mich. Ich denke dieser Staffelaustausch war (unter anderem) einer der Auslöser für meine Reiselust. Damals begann das Interesse für andere Kulturen und die Freude sich mit dem Fremdartigen auseinanderzusetzen. Sich mit Händen und Füßen verständlich zu machen und zu lernen, dass Offenheit und ein Lächeln viele Türen öffnet, nicht nur die zu den Häusern, auch die zu den Herzen der Menschen. |
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