Türkei 2005: Bericht ⇒ It's a long way ...

Langsam schiebt sich die Fähre durch die Lagune von Venedig. Von der Reling aus können wir bequem und ohne Gedränge einige der Sehenswürdigkeiten der Lagunenstadt bewundern, die Piazza San Marco, den Canale Grande usw., um nur einige zu nennen. Kaum sind wir auf See, nutzen ein paar nicht unattraktive Mädels die frühsommerlichen Sonne und räkeln sich im Bikini auf dem Pool-Deck. Die ein oder andere von ihnen sehen wir am Abend krebsrot mit Sonnenbrand in der Schiffs-Disco wieder.

Am nächsten Mittag legt das Schiff in Igoumenitsa an, die Mädels sind immer noch gerötet, von der Sonne, nicht von unserem Anblick. Ralf und ich stehen im Bauch der Fähre und verzurren unser Gepäck. Dabei lernen wir Wolfgang kennen, der mit seiner BMW auch in den Iran möchte. Leider ist seine Lichtmaschine kaputt (einer der BMW-Standardfehler), er will sie hier in Griechenland reparieren lassen. Wir wünschen ihm viel Erfolg und rollen auf das Hafengelände hinaus. Nach dem Tanken, endlich stehen mal wieder mehr Liter als Euro auf der Anzeige, kurven wir den Katara-Pass hinauf. Fast sieht es hier wie im Schwarzwald aus (warum fahren wir dann die weite Strecke hierher?), Nadelbäume, Hügel, Täler, aber der Geruch ist ein anderer, es richt eher nach Machia, ähnlich wie in Sardinien oder Korsika. In Kalambaka, nahe bei den Meteora-Klöstern, nehmen wir uns ein Zimmer. Die Klöster heben wir uns für den Morgen auf.

Noch vor dem Frühstück winden wir uns auf der schmalen Straße zwischen den Felsen zu den Klöstern hinauf. Die Metéora-Klöster, westlich des Pindos-Gebirges in Griechenland gelegen, gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Name „Metéora“ leitet sich ab von „meteorizo“, was so viel wie „in der Luft schwebend“ bedeutet. Dieser Name beschreibt die Lage der Klöster, die auf einem hohen Felsen gebaut wurden, so dass sie bei dunstiger Luft manchmal zu schweben scheinen. Die gesamte Anlage besteht aus 24 einzelnen Klöstern und Eremitagen, von denen heute nur noch sehr wenige bewohnt sind. Die ersten nachgewiesenen Einsiedeleien gibt es in Metéora seit dem 11. Jahrhundert, Überlieferungen berichten sogar von einer Besiedelung bereits vor dem 10. Jahrhundert. Im Laufe der Jahre wuchsen diese Einsiedeleien zu einer organisierten Gemeinschaft nach Vorbild des heiligen Berges Athos zusammen und bildeten das Kloster Doúpiani. Mit der Ankunft des von Athos geflohenen Mönches Athanasios im Jahr 1334 begann der Aufstieg des Klosterlebens in der Region. Zusammen mit seinem geistlichen Ziehvater Gregorios und 14 weiteren Mönchen, gründete er 1344 das Kloster Metamórphosis, auch bekannt als Megálo Metéoro. Athanasios stellte die in Metéora gültigen Regeln des Klosterlebens auf und wurde nach seinem Tod als Athanasios Meteorites selig gesprochen. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts wurden weitere Klöster errichtet und die Anlagen durch fromme regionale Herrscher wie König Symeon finanziell und durch die Gewährung von Privilegien unterstützt. Im Laufe der Jahre entstanden so etliche Klöster und Einsiedeleien, deren Gründer nur zum Teil namentlich überliefert sind. [Quelle: Wikipedia]

Nach der Kultur brauchen wir erst einmal einen guten Kaffee - ok, in Griechenland ist es meist kein guter, sondern löslicher Nescafe. Von meinem letzten Besuch her kenne ich noch ein nettes Café in Kalambaka. Die hübsche Bedienung serviert uns gleich zwei große Tassen, während Ralf in der Bäckerei nebenan für den notwendigen Feststoff in Form von Kringeln und süßen Croissants sorgt. Nach der Stärkung rollen wir auf der Landstraße grob Richtung Osten. Die griechische Polizei ist oft mit Radargeräten präsent, dementsprechend passen wir unseren Vorwärtsdrang an. Ab Larissa fahren wir auf der "olympischen" Autobahn Richtung Thessaloniki. Doch auch ein Jahr nach dem großen Sportereignis ist sie noch nicht durchgängig befahrbar und wir dürfen die ein oder andere Umleitung nehmen. Das hat aber den Vorteil, dass wir in den Ortschaften auch an dem ein oder anderen Kafenion vorbei kommen und eine kleine Zwischenstärkung einschieben können. Lustigerweise dürfen auch Traktoren auf der Bahn fahren, der Tarif ist der gleiche wie für Motorräder (1 €).  An den Mautstationen sitzen gelangweilte Leute, die uns, bis auf einmal, einfach durchwinken. Kurz vor Thessaloniki müssen wir die Autobahn wechseln und, wegen der mangelnden Beschilderung, fahren wir doch glatt in die falsche Richtung - trotz GPS. An der nächsten Mautstation wollen wir, natürlich bevor wir evtl. bezahlen müssen, die Richtung wechseln. Doch einige Polizisten stehen genau da herum, wo wir es nicht brauchen können. Wir proben die Flucht nach vorne, erklären ihnen unser Missgeschick und dürfen mit offiziellem Segen auf den gegenüber liegenden Fahrstreifen wechseln. "Be carefull", ruft uns einer noch zu, als wir den Mittelstreifen der Autobahn überqueren, es lebe Recht und (Verkehrs-)Ordnung. Im Norden Griechenlands bleiben wir eine ganze Weile auf der Küstenstraße (die Autobahn ist hier noch lange nicht fertig), bevor wir den Tag auf einem Campingplatz in Alexandropoulis, unweit der türkischen Grenze, beenden. Als wir vom Einkaufen (bei Lidl, es lebe die Globalisierung) zum Campingplatz zurück kommen, steht eine uns bereits bekannte BMW auf der Wiese. Wolfgang (man erinnere sich) hat sein Zelt aufgebaut und freut sich über seine nun wieder funktionierende Lichtmaschine.

Die letzten Kilometer bis zur Grenze rollen wir wieder auf einer Autobahn. Als EU-Bürger bilde ich mir ein, die griechische Grenze einfach so passieren zu können, aber gefehlt. Schrille Pfiffe bringen mich in die Schengener Wirklichkeit zurück. Dir Grenzer wollen einen Beweis meiner Zugehörigkeit sehen, z. B. meinen Pass. Für die Grenzformalitäten auf der türkischen Seite brauchen wir ca. 45 Minuten. Kein Wunder, bei den vielen Stempeln, die Bürokratie hat osmanische Tradition. Da wir für den Iran sowieso ein Carnet haben, benutzen wir es auch für die Einreise in die Türkei. Dadurch sparen wir die 8 Euro für das Triptik. Und sparen müssen wir hier schon etwas, denn die Tankwarte verlangen hier ca. 1,40 € für den Liter Sprit. Zunächst düsen wir aber noch mit dem relativ günstigem griechischen Saft in den Tanks weiter. In Tekirdağ besorgen wir uns türkisches Geld. Die Türken haben seit kurzem neues Geld, ohne die vielen Nullen. Eine neue türkische Lira entspricht ungefähr einer DM, da muss man nicht mehr viel umrechnen. Zumindest fast nicht mehr, denn die alten Scheine sind auch noch im Umlauf. Danach fahren wir zum Hafen runter in ein Café, um den ersten Tee zu genießen. Dort treffen wir wieder auf Wolfgang (der mit der kaputten Lima) und laden ihn gleich zum Mittrinken ein. Ralf besorgt noch einige köstliche Sesam-Kringel dazu. Nach der Stärkung lenken wir die Maschinen Richtung Istanbul. Zahlreiche Baustellen behindern die Fahrt, aber der Verkehr kann gar nicht so dicht sein, dass wir uns nicht durchschmuggeln könnten - mit einem Auge immer nach den Radarwagen Ausschau haltend. Mit 16°C ist es zwar nicht besonders warm (ich denke wir sind im sonnigen Süden?), aber kurz vor Istanbul steigt die Temperatur auf angenehme 24°C. Da wir immer noch in der gleichen Klimazone sind, liegt das sicher am Smog. Für die Überfahrt zum asiatischen Kontinent, wählt Ralf diesmal die nördlich Brücke. Wir fahren ganz rechts am Rand entlang und haben tolle Ausblicke auf den Bosporus und die angrenzenden Stadtteile. Für mich ist es immer wieder ein Erlebnis, diese (oder auch die andere) Brücke zu überqueren. Hinter der geschichtsträchtigen Stadt kühlt es wieder spürbar ab (der Smog lässt nach), doch gegen Abend wird es noch viel kälter. Um zu unserem Etappenziel, der Stadt Kastamonu zu gelangen, müssen wir den fast 1.800 Meter hohen Ilgazdağı Pass überwinden. Die Sonne ist gerade untergegangen und die Temperatur nähert sich dem Gefrierpunkt. Die nicht wenigen weißen Flecken beidseitig der Straße werden übereinstimmend als Schnee identifiziert. Unsere Enduro-Handschuhe sind natürlich zu dünn, das Innenfutter der Jacke ist im Koffer verpackt (Stichwort sonniger Süden!). So beißen wir uns zittern über die schotterige Straße und hoffen ohne Frostbeulen beim Hotel anzukommen. Ralf hat den Osman Saray als Unterkunft gewählt, weil Kemal Atatürk dort seinerzeit seinen legendären Huterlass (Hut- und Bekleidungsneuordnungen, 25. November 1925) unterzeichnet hatte und weil er das Haus noch von der letzten Reise her als angenehmen Aufenthaltsort in Erinnerung hatte. Anstatt sich aber im gegenüber liegenden Hamam aufzuwärmen, siegt der Hunger über die Vernunft. Ralf hat Angst, dass die Lokantas schließen, bevor er seinen Magen gefüllt hat, so frieren wir in einem der Restaurants und wärmen uns mit scharfen Paprikas von innen.

Die Strecke von Kastamonu herunter führt durch ein wunderschönes Tal. Sanfte Hügel, verträumte Wälder und ein breiter Bach säumen unseren Weg. Hier kann man beim Fahren auch die Seele baumeln lassen. Als wir an einem Ortsausgang wieder Gas geben, werden wir prompt von einem Radarwagen gefilmt, der fast unsichtbar im Schatten einiger Bäume steht. Wir wissen seit letztem Jahr, dass die eigentliche Polizeikontrolle und damit die Ahndung des Vergehens erst ein paar Kilometer später zu erwarten ist. Wir drehen kurzerhand um und fahren lieber einen Umweg als zu zahlen. Durch den Umweg finden wir kleine schnuckelige Wege durch Waldgebiete und an Seen vorbei. Dieser Umweg hat sich in doppelter Hinsicht gelohnt, vielen Dank an die Polizei ;-)

Mittags kommen wir an einer Tankstelle mit Restaurant vorbei. Aus dem Augenwinkel sehen wir eine bepackte Enduro vor der Terrasse stehen. Natürlich gehen wir gleich vom Gas und schwenken rüber. Wir treffen auf Henry aus Paris, der mit seiner XT600 ein Jahr lang bis in den Fernen Osten unterwegs sein will. Wir klönen eine ganze Weile bei Tee und Keksen und tauschen Erfahrungen aus. Wir haben bis hierhin 5 Tage gebraucht, Henry ist seit 2 Monaten unterwegs, Zeit sollte man haben ...

Schon bald sind wir wieder auf der Hauptroute unterwegs. Die Landschaft ist hier zwar auch nicht von schlechten Eltern, doch der Straßenverlauf verleitet zur Eile. Für den mit Abstand besten Abschnitt der Route Istanbul - Doğubayazit wählen wir eine dem Ausbauzustand der Straße angemessene Geschwindigkeit, so dass der Angstrand nicht allzu mädchenhaft aussieht. Anders ausgedrückt, bis zu 130 km/h sind eher die Regel als die Ausnahme. Plötzlich stört irgendein fremder Ton von hinten. Ein Blick in den Rückspiegel lässt mich kurz erstarren. Eine türkische Polizeistreife verfolgt uns mit Blau- und Rotlicht und Sirene. Ich bremse ab,der Wagen überholt mich, um Ralf nachzusetzen, der die Schergen (trotz Signalanlage) noch nicht bemerkt hat. Nach einigen hundert Metern hat Ralf auch seinen kurzen Adrenalinausstoß erhalten und hält an. Die beiden Polizisten grüßen uns freundlich und fordern die Papiere. Etwas verunsichert denke ich an die 95 Euro vom letzten Jahr, damals sind wir auf einer vierspurigen Ausfallstraße mit 104 km/h in die Radarfalle getappt. Schließlich erzählen die beiden uns, wie schnell sie uns vermuteten, und zeigen auf dem Tacho 90 km/h als Höchstgeschwindigkeit. Gemessen hatten sie in Wirklichkeit ja nichts. Sie wollten uns anschließend glaubhaft machen, dass wir trotz Überholverbot überholt hätten, was natürlich nicht sein kann. Einige Verhandlungsrunden später einigten wir uns erstens auf Fremdwährung und zweitens auch auf einen Betrag. Je 20 Euro wechseln den Besitzer, ohne Rechnung versteht sich. Damit sind wir einverstanden. Die Strafe haben wir verdient, nicht weil wir zu schnell waren, sondern weil sie uns gekriegt haben ;-)

Gegen Abend suchen wir einen Übernachtungsplatz. Das ist in dieser Gegend gar nicht so leicht, da überall bestellte Felder und Dörfer sind. Es gibt nicht wirklich ein ungestörtes Plätzchen. Nach langem hin und her werden wir dann an einem malerischen See fündig. Zwischen Ufer und See ist eine Hecke, so können wir zumindest von der Landseite her nicht gesehen werden. Kaum haben wir abgeladen, bekommen wir allerdings doch Besuch - soviel zum naiven "können nicht gesehen werden". Zwei junge Männer gesellen sich zu uns. Wir fragen, ob wir hier übernachten dürften und sie haben nichts dagegen. Im Gegenteil, die beiden schenken uns auch noch ihre frisch gefangenen Fische. Wir geben mit Händen und Füßen zu verstehen, dass wir kein Feuerholz haben und lehnen dankend ab. Daraufhin lassen sie die Fische bei uns liegen und machen sich auf dem Weg in ihr Dorf. Als wir unser Zelt aufgebaut und unsere Siebensachen verstaut haben, kommen die beiden mit Holz, einer Axt und einer Art Grill zurück. Während der eine die Fische ausnimmt und reinigt, hackt der andere Holz und zündet das Feuer an. In der Zwischenzeit sind noch mehr Leute aus dem Dorf aufgetaucht und werden uns von den beiden Jungs vorgestellt. Wir sitzen in einer großen Runde zusammen und können leider nicht wirklich miteinander kommunizieren. Wir sprechen kein türkisch, die Leute weder deutsch noch englisch, italienisch oder französisch, was wir fremdsprachentechnisch auch noch auf die Reihe bekommen hätten. Als nur noch Glut übrig ist, werden die vorbereiteten Fische gegrillt. Wir steuern noch Gewürze, Tomaten und Gurken bei, doch das Gemüse bekommen wir gleich wieder eingepackt. Jemand wird ins Dorf geschickt und besorgt Gemüse und Fladenbrot, ein anderer geht auf das Feld nebenan und schneidet frisches Zwiebelkraut. Als alles fertig und serviert ist, werden wir mit den Köstlichkeiten gemästet (und das, wo ich doch keinen Fisch mag). Unsere Gastgeber selbst wollen nichts essen, sie freuen sich nur, dass es uns schmeckt (so schlecht ist Fisch eigentlich gar nicht). Da es in der Zwischenzeit dunkel geworden ist, fährt jemand sein Auto vor unser Zelt und beleuchtet (mit laufendem Motor, bei diesen Spritpreisen!) unser Nachtmahl mit den Scheinwerfern. Nach der Mahlzeit bekommen wir eine Quelle gezeigt, deren Wasser auch trinkbar ist. Dort waschen wir uns und trinken von dem kühlen Wasser. Kaum sind wir zurück am Zelt, werden wir von den Leuten ins Bett geschickt und bekommen eine gute Nacht gewünscht. Verdutzt schauen wir uns an. Eigentlich haben wir damit gerechnet, dass wir nun die halbe Nacht mit den Dorfbewohnern vor dem Zelt hocken (müssen). Kaum haben wir einige Dankesworte gestottert, sind die Leute auch schon verschwunden.

Morgens sitzen wir um den Benzinkocher und halten die Hände an den Teekessel. Die Nacht war kühl, was aber nicht verwunderlich ist, liegt der See doch auf 900 Höhenmetern. Nach dem Frühstück packen wir das Zelt zusammen und machen uns wieder reisefertig. Zwei der gestrigen Gastgebern kommen auf dem Weg zu ihren Feldern vorbei, um uns zu verabschieden. Es gibt Küsschen links und rechts und gute Wünsche. Wir bedanken uns ausgiebig und sind fast traurig darüber wieder weiter zu müssen.

Die Straße verläuft nun ständig zwischen 1.500 und 2.200 Metern Höhe. Es ist ziemlich kalt, zumindest kommt es uns so vor. Der Himmel ist bewölkt und die Sonne kommt nicht wirklich durch, um uns zu wärmen (sonniger Süden?). Wir fahren an einem Flussbett entlang, vor uns eine schöne Brücke. Ralf möchte ein Foto machen, wie ich darauf den Fluss überquere. Während er die Kamera auspackt, fahre ich vor und biege auf das alte Bauwerk ab. Eigentlich müssen wir da ja nicht rüber, unser Weg führt normalerweise weiter geradeaus, aber was tut man nicht alles. Langsam rolle ich auf die andere Seite hinüber, genau in die Arme der Jandarma, eine Art Militärpolizei, die hier in Kurdistan einen Posten hat. Mopped abstellen, absteigen, Papiere heraus kramen und im Häuschen Platz nehmen. Wenn ich das vorher gewusst hätte ... Mittlerweile ist auch Ralf in die "Falle" getappt und kommt mit seinen Papieren ins Haus. Die Militärs sind freundlich und nett, aber das umständliche abschreiben der Passdaten kostet einen Haufen Zeit. Als wir endlich weiter dürfen, wundern sich die Soldaten, dass wir wieder über die Brücke zurück fahren. Wahrscheinlich hätten sie sich die Arbeit auch sparen können.

Seit dem gestrigen Knöllchen schleichen wir mit maximal 90 km/h über die Straßen. Das Schleichen ermüdet mehr, als wenn wir flott unterwegs wären. Die ständige Kälte belastet zudem noch, wenigstens bekommen wir an den Tankstellen (aber wie oft tankt man mit einem 43 Liter Tank?) immer heißen Tee serviert, das sollte man bei uns auch einführen. Am letzte Pass, knapp 40 Kilometer vor Doğubayazit, treffen wir ein deutsches Pärchen, das auf Fahrrädern unterwegs ist, und zwar schon seit zweieinhalb Jahren. Sie kommen von Australien und Neuseeland her und sind über Südostasien und Zentralasien in Richtung Heimat unterwegs - Respekt! Leider ist es hier oben ziemlich zugig, weshalb wir uns schon bald von den beiden Radlern trennen. Schade, so ein bisschen quatschen und Erfahrungsaustausch macht Spaß. Vielleicht treffen wir die beiden ja auf der Rückfahrt wieder. Auf dem weiteren Weg zeigt sich der Ararat fast wolkenfrei. Jetzt ist es zwar auch zu spät für gutes Wetter, aber wenigstens können wir die Fotoapparate noch mal auspacken und den seltenen Anblick festhalten. In Doğubayazit beziehen wir das gleiche Hotel wie im letzten Jahr, Macht der Gewohnheit. Vor dem Abendessen lassen wir uns beim Friseur noch mal die Urlaubsfrisur korrigieren und rasieren. Ich hatte ja vorher schon einen Mecki, Ralf lässt sich erst jetzt die Haare auf 3 mm stutzen und den Bart abnehmen, übrigens das erste Mal seit 15 Jahren, dass er glatt rasiert ist.

Bevor wir zur Grenze fahren, wollen wir noch Ralfs Sturzbügel schweißen lassen. Er ist durch Vibrationen an einer Schweißnaht gerissen. In einer Hinterhofwerkstatt, am Rande der Stadt, finden wir einen Schweißer. Wir montieren den Bügel ab und schauen zu, wie der Mechaniker das Teil wieder zusammen brät. Als ich fotografieren will, fällt mir die Batterie aus der Kamera. Was ist denn das für ein Mist? Der Batteriedeckel ist weg und lässt sich nicht wieder finden. Fängt denn der gleiche Sch.... wie letztes Jahr an, damals ist mir auch die Kamera kaputt gegangen. Aber diesmal habe ich vorgesorgt und sogar drei Kameragehäuse dabei! Nach dem Abkühlen der Schweißnaht montieren wir den Sturzbügel wieder. Der Schweißer will nichts für seine Mühen haben, so können wir uns nur ausgiebig für seine geleistete Arbeit bedanken. Nächster Programmpunkt ist der Reifenwechsel. Wegen der erwarteten Streckenlänge, sind wir mit gut eingefahrenen Reifen losgefahren und wollen nun, nach den ersten ca. 3.000 km, die mitgeschleppten neuen Reifen montieren. Damit wir uns nicht selbst mit dem Montiereisen "quälen" müssen, suchen wir uns eine professionelle Reifenwerkstatt mit Montiermaschine. Als die Räder ausgebaut dastehen, will der Meister doch per Hand die Reifen runterhebeln. Ich zeige etwas entsetzt auf die Montiermaschine, doch der Chef meint nur, dass momentan kein Strom da wäre und die Maschine ohne Power nicht läuft. OK, dann halt doch per Hand montieren. Wir unterstützen den Monteur aus Leibeskräften. Nicht, weil er es vielleicht nicht könnte, sondern weil wir Angst haben, dass der "Grobmotoriker" (sorry!) unsere Felgen und Bremsscheiben beschädigt. Doch gemeinsam schaffen wir auch diese Hürde und verzeichnen nur wenige Kratzer im Aluminium (grrrr...). Nach der Arbeit lädt uns der Chef zu Tee und iranischen Keksen ein und mit Händen und Füßen erklären wir unseren weiteren Reiseweg. Doch zunächst fahren wir noch schnell zum Ishak Pasha Saray hinauf. Den kleinen Palast in den Bergen oberhalb von Doğubayazit hatten wir zwar letztes Jahr schon besucht, aber die paar Kilometer lohnen sich auch für eine weitere Besichtigung, zumal ich diesmal, im Gegensatz zum letzten Mal, einen funktionierenden Fotoapparat dabei habe. Etwas oberhalb auf dem Berg steht auch ein kleines Restaurant mit schönem Blick auf die alten Gemäuer. Dort sitzen wir bei heißem Tee auf der Terrasse, essen noch die Reste der Tomaten und Gurken vom See, genießen die Aussicht und beobachten andere Besucher des Sarays. Gegen Mittag fahren wir dann endlich zur Grenze. Aber halt, 200 Meter vor dem Schlagbaum gibt es noch einen Abzweig zu einem Meteoritenkrater. Eine Piste führt ca. vier Kilometer parallel zur Grenzlinie nach Norden bis zum Krater, den ein Meteorit 1872 hier hinterlassen hat. Heute ist es ein schmutziges Loch mit 35 Metern Durchmesser und mit rostigem Stacheldraht eingefasst. Ein Besuch lohnt eigentlich nicht, aber wenn wir schon mal hier sind ...

Wieder zurück an der Grenze fängt es an zu tröpfeln. Muss das denn jetzt sein? Auf der türkischen Seite werden wir innerhalb von fast 30 Minuten abgefertigt. Zum Glück sind die Abfertigungsschalter überdacht. Für die Einreise in den Iran brauchen wir zwei Stunden, obwohl ein iranischer Polizist unsere Pässe sogar nach vorne "schmuggelt", vorbei an einigen Busladungen Iraner auf der Heimreise. Während wir warten, nerven uns Scharen von Geldwechslern, die unsere Dollars "schwarz" tauschen wollen. Wir wollen aber nicht illegal wechseln, zumindest nicht hier, unter den zahlreichen Augen des Gesetzes. Das Einreiseproblem liegt am Bearbeiter des Carnets. Er taucht eine ganze Weile nicht auf. Als er endlich seinen Arbeitsplatz besetzt, ist er jedoch sehr freundlich uns scherzt sogar mit uns herum. Dann haben wir endlich alle notwendigen Stempel und Unterschriften. Mit "welcome to Iran", verabschiedet uns der Grenzer und fügt noch schnell hinzu: "Have a nice trip!"

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