Wir sind doch nicht zum Spaß hier ...
Nach einer sehr ruhigen Nacht auf dem Wasser entlässt uns die Fähre im Morgengrauen in den Hafen der spanischen Exklave Melilla. Außer Hajo und Stefan, die mit mir zusammen eine Gruppe bilden, sind noch Marion, Wolfgang und Valentin mit dabei. Eigentlich wollten die drei eine Fähre früher fahren, doch wegen einer Reifenpanne hatten sie ihren Zeitplan etwas ändern müssen. Gemeinsam durchqueren wir die Stadt und suchen ein offenes Café, um zu frühstücken. In Marokko ist gerade Ramadan und da haben wir diesbezüglich sicher Pech. Wir müssen auch nicht lange suchen, gleich an einer Ecke stehen Tische und Stühle draußen und laden uns ein. Nach der Stärkung begeben wir uns weiter zur Grenze. Marion und ich sammeln die Pässe und Fahrzeugpapiere ein und erledigen die Formalitäten. In einer guten halben Stunde ist alles erledigt. Ein netter Grenzer wünscht uns einen angenehmen Aufenthalt und wir sind drin. Während Marions Gruppe ihre Papiere ordnet, machen wir uns auf den Weg zur Bank und ziehen Geld am Automaten. Die Tanks sind voll, Geld haben wir auch, auf geht’s ins Abenteuer ...
Die ersten Kilometer mit den neuen Deserts auf den Maschinen wirken noch etwas eierig, aber das soll sich schon bald geben, wenn die Kanten erst eingefahren sind. Unser erstes Ziel sind die Berge südwestlich von Berkane. Auf der Fahrt saugen wir die neuen Eindrücke auf. Das Licht scheint eine andere Farbe zu haben, es riecht anders und die Landschaften und Dörfer unterscheiden sich natürlich auch vom gewohnten Bild. In einem Dorf werden wir von einem Polizisten angehalten. Er ist aber bloß neugierig und will nur wissen, woher wir kommen und wohin wir fahren wollen. Gerade als er anfängt uns (unnötigerweise) den Weg zu erklären, sieht er mein GPS. „Ach, dann ist euch ja eh alles klar“, meint er nur und lässt uns weiterfahren. Endlich kommt der Abzweig auf die vermeintliche Piste. Doch statt schönem Schotter macht sich hier schnöder Asphalt breit. Aus der Traum vom Schottersurfen. Trotzdem macht auch die Teerstraße Spaß, die sich kurvenreich durch die Hügellandschaft schlängelt. An der Einfahrt zur Zegzel-Schlucht ist eine Kette gespannt, die Zufahrt ist gesperrt. Warum, kann uns niemand erklären. Wir kehren um und Hajo sucht einen anderen Weg. Diesen finden wir zwar recht schnell, jedoch ist der Zustand katastrophal und mit unseren beladenen Maschinen nicht fahrbar. Als wir wieder die Hauptstraße erreichen, werden wir von einem älteren Herrn angesprochen. Er erklärt uns, dass die Schlucht gar nicht gesperrt wäre und man nur die Kette aushängen müsse. Also düsen wir wieder zur Absperrung zurück. Nach einiger Diskussion mit dem Kettenwächter, hängt er die Kette aus und wir fahren rein. Weit kommen wir allerdings nicht. Nach einer größeren Parkfläche folgt ein Picknickbereich und dann ist der Weg auch schon zu Ende. Wir wälzen Landkarten und suchen im GPS, doch eine Lösung finden wir nicht. Wieder mal ganze Kompanie kehrt und raus aus dem Tal. Dann bleiben wir halt auf der Straße.
Da Stefan schon auf Reserve fährt, kommt uns die Tankmöglichkeit in Oujda sehr gelegen. Wir durchqueren danach den verkehrsreichen Ort und schlagen uns einige Kilometer südlich der Stadt in die nicht vorhandenen Büsche, um einen Lagerplatz für die Nacht zu finden. Über ein trockenes Bachbett gelangen wir zwischen die umliegenden Hügel, die uns einen guten Sichtschutz zur Straße hin bieten. Auf einer halbwegs ebenen Fläche schlagen wir die Zelte auf und beginnen auch gleich mit dem Kochen, bevor wir wegen der Dämmerung den Topfinhalt nicht mehr erkennen können.
Bei Ain Benimathar geht es dann endlich auf die Piste auf den Spuren der Paris- Dakar 2006. Leider weht ein starker Wind, der uns immer wieder mit Sand die Sicht zu nehmen versucht. Manchmal können wir die Hand vor Augen kaum sehen, zwei Minuten später ist die Sicht wieder frei. Ein kurzes Stück weiter sind wir wieder Blind, wegen dem Sand in der Luft. So geht es noch den ganzen Tag weiter. Die Strecke verläuft über eine Hochebene, wodurch uns der Wind immer wieder das ein oder andere Schnippchen zu schlagen versucht. Doch wir lassen uns davon nicht aufhalten und erreichen ca. 30 Kilometer östlich von Matarka eine Teerstraße. Wir sind etwas überrascht, denn sie ist auf dem GPS nicht eingezeichnet. Hajo findet sie dann doch noch auf der Papierkarte. Unter diesen Bedingungen nehmen wir den angenehmen Weg dankbar an und folgen dem Asphaltband auch gleich bis nach Matarka. Der Ort besteht aus einem großen Umschlagplatz für allerlei Waren. Überall stehen kleinere und größere LKW und es werden Kisten, Säcke, Körbe usw. auf-, ab- und umgeladen. Hinter einer Anzahl Wohnhäuser steigen wir wieder in eine Piste ein. Wenn wir nicht ganz falsch navigiert haben, sollte sie uns nach Talsint führen. Der Verlauf des Weges ist uns nicht immer ganz klar, aber mit dem Lesen der Landschaft und etwas gesundem Menschenverstand - ok, die Satellitenhilfe wollen wir auch nicht ganz verschweigen ;-) finden wir uns dennoch zurecht. Dem Streckenzustand nach sind wir zwar nicht auf der geplanten Piste, aber die Richtung stimmt und Spaß macht es auch, auch wenn wir eigentlich nicht zum Spaß hier sind ...
Ab und zu kommen wir an Beduinenzelten oder Schaf-/Ziegenherden vorbei. Zuerst stürzen sich Hunde auf uns, dann kommen Kinder angelaufen und winken. Zum Glück werden wir nicht gebissen, weder von den einen, noch von den anderen ;-). Am späten Nachmittag taxieren wir die Landschaft, um einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Ungefähr auf halber Strecke, zwischen Matarka und Anual auf einer Passhöhe werden wir fündig. Wir müssen zwar ein gutes Stück zwischen halbhohem Gestrüpp hindurchzirkeln, finden aber einen halbwegs sichtgeschützten Platz. Nachdem die Zelte stehen, kümmert sich Stefan um das Essen auf dem Feuer. Hajo und ich füllen derweil die Reservekanister in die Tanks um, damit wir das Gewicht nicht weiterhin schwerpunktungünstig mitschleifen müssen. Dann noch schnell Hände waschen und schauen, was Chefkoch Stefan uns so auftischt.
Obwohl wir auf 1.500 Metern genächtigt haben, war es überhaupt nicht kalt, ganz im Gegenteil. Unter meinem Daunenschlafsack, den ich nur als Decke genutzt habe, kam ich sogar gut ins Schwitzen. Als wir unser Lager abschlagen, kommt ein Schäfer samt Herde, 2 Kindern und einem Hund vorbei. Anscheinend spricht er kein französisch, denn er versteht uns nicht. Wir können seiner Sprache allerdings auch keinen Sinn entnehmen, aber mit international verständlicher Zeichensprache, tauschen wir uns trotzdem halbwegs aus. Als wir abfahrtsbereit sind, zieht der freundliche Mann mit seiner Herde weiter. Wir fahren zur Piste zurück und düsen Richtung Beni Tajjite weiter. In Talsint werden wir von einem Schwarm Kinder umzingelt. Jeder möchte uns die Hand geben und natürlich fragt uns jeder nach Kugelschreibern oder Bonbons. Nachdem wir eine Weile mit den Kids herumgeschäkert haben, setzen wir unseren Weg fort. Ab hier geht es nun wieder auf Teer weiter.
In Beni Tajjite ist Markttag. Entsprechend dicht gedrängt geht es in den engen Gassen auch zu. Wir nutzen die Gelegenheit und füllen Sprit- und Wasservorräte auf. Außerdem kaufen wir noch Brot und Käse, sowie ein paar Kekse für zwischendurch ein. Dann suchen wir den Pisteneinstieg nach Atchana. Dabei kreuzen wir ein paar Mal durch den Ort, da wir uns nicht ganz sicher sind, welcher der Pisten wir uns genau zuwenden müssen. Schließlich vergleichen wir die Topografie der Landkarte mit den Verhältnissen vor Ort und entscheiden uns letztendlich für die richtige Variante. Die Piste ist zum Teil in schlechtem Zustand. Immer wieder kommen wir an Stellen, an denen die Fahrspur von Wassermassen weggespült wurde. Diese steilen und tiefen Abbrüche zu überwinden, kosten uns schon etwas Nerven. Zumindest am Anfang. Da fährt jeder einzeln durch und die anderen fotografieren die Trialakrobatik. Irgendwann haben wir dann so viele kritische Stellen überwunden, dass es nichts mehr Besonderes ist. Wir halten gar nicht mehr an, sondern stürzen uns direkt todesmutig in die Tiefe und ziehen auf der anderen Seite locker hoch. Kaum zu glauben, dass wir Anfangs so ein Geschiss um diese Durchquerungen gemacht haben. Als wir das Oued Guir erreichen, sind wir doch etwas enttäuscht. Aus dem schönen Tal ist eine große Baustelle geworden. Überall wird gebaggert und geebnet. Die schöne Piste ist einer breit geschobenen Trasse gewichen, die nun auf das abschließende Teerkleid wartet. Echt schade, diese Strecke war bis dato ein echtes Highlight. Ab Tazouguerte, bis runter zur Kreuzung an der N10, ist das Asphaltband sogar schon fertig. Für die Einheimischen sicher ein begrüßenswerter Fortschritt, für uns eine „Attraktion“ weniger.
Direkt an der oben zitierten Kreuzung stehen zwei Beduinenzelte, mit großen Schildern als Café ausgewiesen. Wir fragen höflich nach, ob trotz Ramadan etwas serviert wird. Der „Wirt“ meint, dass der Ramadan zwar für ihn selbst gelte, wir als Nicht-Moslems uns jedoch nicht daran halten müssen und er uns gerne etwas in die Pfanne haut. Diese Angebot können wir natürlich nicht ausschlagen. Im Schatten des Daches aus Schafswolle trinken wir Pfefferminztee und warten auf die versprochenen Omelettes. Zwischendurch gesellen noch ein paar Franzosen auf Sportenduros dazu. Sie haben ein Servicefahrzeug dabei, das mit ihrem Gepäck in Boudnib auf sie wartet. So kann ja jeder leicht reisen ;-). Da sich der Tag so langsam zu Ende neigt, müssen wir die gastliche Stätte bald wieder verlassen. Wir wollen noch ein Stück in die Wüste hinein und dort die Nacht verbringen. Kurz vor Boudnib geht es rechts ab, auf eine Piste Richtung Erfoud. Da ich den Einstieg etwas anders in Erinnerung hatte, donnern wir erstmal daran vorbei. Nach etwas Kartenstudium einigen wir uns schließlich auf den richtigen Abzweig und geben ordentlich Gas, damit noch vor dem Dunkeln unsere Zelte stehen. Ein breiter Bach versucht uns noch etwas aufzuhalten, doch von etwas Wasser lassen wir uns nicht abschrecken. Ein paar Gasstöße später sind wir durch, aber auch etwas nass ;-). Der starke Wind hält uns davon ab, einfach irgendwo in der Pampa die Zelte aufzustellen. Bis wir ein halbwegs windgeschütztes Plätzchen hinter einigen Felsen gefunden haben, hat uns die Dämmerung auch schon eingeholt. Durch den Wind und die Dunkelheit haben wir keine Lust mehr den Kocher aufzustellen. Also bleibt die Küche heute kalt und wir stürzen uns auf die von zu Hause mitgebrachten Landjäger und marokkanisches Brot. Eine ganze Weile liegen wir dann draußen vor den Zelten und schauen nach Sternen und Satelliten. Als wir uns zur Nachtruhe ins Zelt legen (Hajos Zelt verneigte sich die ganze Nacht vor dem Wind), ist alles voller Sand, das der Wind unter dem Überzelt hindurch und durch das Mückennetz ins Innenzelt hereingeweht hat – ziemlich kratzig das Ganze, aber wir sind ja nicht zum Spaß hier ...
Bevor wir weiterfahren, spanne ich die Kette und klopfe den Luftfilter aus. In letzterem hat sich schon eine Menge Sand gesammelt. Mit frischem Schwung geht es dann wieder weiter. Aber die Piste ist echt besch … zu fahren. Der Weg ist ziemlich steinig, einzige Abwechslung sind einige Weichsandfelder. Wir schwenken auf die im GPS verzeichnete Hauptpiste um, aber die ist in einem noch schlechteren Zustand. Die Fahrrinnen sind V-förmig und mit dicken Steinen gefüllt. Ständig rutscht man die schräge Seite hinunter und die Steine wollen einem den Lenker aus der Hand reißen. Entweder muss man mit viel Kraft den Lenker halten und herumeiern, oder man gibt ordentlich Gas mit der Gefahr, dass man sich böse aufs M… legt. Wir sind echt froh, als wir endlich die Teerstraße vor Erfoud erreichen. In Erfoud tanken wir wieder alles voll, bunkern Wasser und ziehen Geld am Bankautomat. Danach besuchen wir einen Barbier, der uns den Bart der letzten Tage aus dem Gesicht schabt. Erfrischt, zumindest im Gesicht, setzen wir unseren Weg Richtung Merzouga fort. Die Piste ist mit zahlreichen Weichsandfeldern gespickt. Meine beiden Begleiter sind von der üblen Piste des Vormittags noch mitgenommen und freuen sich überhaupt nicht über die tief verspurten Hindernisse. Dementsprechend oft legen wir kurze Verschnaufpausen ein. Zu allem Übel führe ich uns auch noch durch einen kleinen Dünenzug, der Stefan zum Verhängnis wird. Eine der Dünen wirft ihn aus der Spur und das gesamte Gefährt zu Boden. Auch Hajo lässt sich nicht Lumpen, nutzt ein Kamelgrasbüschel als Sprungschanze und wirft sein Eisenschwein in den Sand. Bei beiden ist außer angekratztem Stolz jedoch nichts passiert. Die letzten verspurten Kilometer bis Merzouga schaffen wir dann auch noch halbwegs problemlos.
Bei Merzouga wollen wir uns mit den anderen beiden Gruppen der Transalp-Maroc-Challenge im Hotel Mohayut treffen. Das Haus ist eine Empfehlung von Edith Kohlbach (Marokko- Reiseführer). Eigentlich müssten wir zu dieser vorgerückten Stunde die letzte Gruppe sein, komischerweise sind wir aber die erste. Und dann kommt gleich der nächste Schreck, das Hotel ist ausgebucht. Wir bekommen ein alternatives Haus angeboten, doch ohne Rücksprache mit den anderen wollen wir nichts übereilen. Zuerst trinken wir eine Runde Tee im schönen Garten des Hauses. Irgendwann ist Motorengeräusch zu hören, die Fischkö …;-) äh die norddeutsche Gruppe mit Pat, Katja, Jörg und Kay ist angekommen. Gemeinsam trinken wir eine weitere Runde Tee und tauschen die hinter uns liegenden Erlebnisse aus. Mittlerweile neigt sich die Sonne dem Horizont zu und Gruppe drei, mit Marion, Valentin und Wolfgang, fehlt noch. Nun wollen wir doch schon mal tätig werden, bevor wir nachher alle im Dunkeln rumgurken müssen. Wir hinterlassen im besetzten Hotel die Adresse unseres alternativen Domizils und machen uns auf den Weg zur neuen Unterkunft.
Auf den ersten Blick macht das Hotel „Kasbah des Dunes“ einen ordentlichen Eindruck, auch wenn die Zimmer recht klein sind. Also nichts wie rein in die Hütte. Während wir unsere Siebensachen ein- und umräumen, tauchen auch die drei „Marion-netten“ (Marion, Wolfgang und Valentin) auf. Etwas erschöpft schließen sie sich der Zimmerbezugsorgie an. Nach dem Duschen treffen wir uns nach und nach im Speisesaal der Unterkunft. Vor dem Essen genießen wir eine Runde Tee und auch das ein oder andere Schlückchen „Desinfektionsmittel“ ;-) und verkrümeln bei unseren Erzählungen auch ein paar Restkekse. Dann ist es endlich Zeit fürs große Spachteln. Wir versammeln uns alle um einen großen Tisch und harren der Dinge, die da aufgefahren werden. Das Essen ist besser als gedacht und satt werden wir auch alle, was will man mehr. Nach dem Dessert treffen wir uns alle vor dem Haus zum Klönen. Kerzen brennen, heißer Tee und, etwas versteckt, auch etwas Hochprozentiges, natürlich nur zu medizinischen Zwecken ;-), machen die Runde, bis wir einer nach dem anderen in die Falle wandern.
Beim Frühstück gilt es die Abenteuer der Nacht auszutauschen. Valentin hat die halbe Nacht auf dem Klo verbracht und liegt nun mit Fieber im Bett. Bei den anderen war eine Maus im Zimmer und Hajo und ich mussten unsere Hütte mit mindestens 15 Kakerlaken teilen – igitt! Überall waren die unappetitlichen Krabbelviecher, sogar in unseren Betten :-( Noch eine Nacht wollen wir hier nicht verbringen, auch wenn wir nicht zum Spaß hier sind. Doch zunächst geht es erstmal in die Dünen. Alle ziehen sich um und dann fahren wir gemeinsam zu einem mehr oder weniger geeigneten Gebiet, mit nicht zu hohen Sandhaufen. Da ich der einzige mit Sand-Erfahrung bin, versuche ich den anderen die Fahrtechnik und das Verhalten in dem unübersichtlichen Gebiet näher zu bringen. Dann geht es los. Ich fahre ein Stück vor und warte oben auf einer Düne. Etwas zögernd kommen die anderen nach und es klappt auch schon ganz gut. Nach und nach stehen Kay und Jörg, für die der Sand gar keine Probleme darstellt, und dann auch Hajo neben mit. Dann kommt Katja angeprescht. Sie denkt, wir stecken da oben fest und kommt mit ordentlich Gas die Düne hoch. Oben bleibt sie weiter auf dem Gas, fliegt über die Kuppe hinweg und fällt praktisch die steile Seite hinab. Bis hierhin wäre eigentlich nichts passiert. Doch mitten in der Abfahrt hat sich ein fester Lehmabsatz gebildet, der nun wie eine Sprungschanze wirkt. Die ganze Fuhre hebt weder ab und Fahrerin samt Maschine schlagen hart am Dünengrund auf. Für Sekundenbruchteile sind alle wie gelähmt. Dann stürzen wir alle zu Katja runter um ihr zu helfen. Sie ist ziemlich fest mit Kopf und Hüfte aufgeschlagen und hat starke Schmerzen. Zum Glück hat sie sich nichts gebrochen, auch innere Verletzungen scheinen wir ausschließen zu können. Sie beschließt erst einmal im Schatten ihrer Maschine zu bleiben, die wir neben ihr wieder aufgestellt haben und sich auszuruhen. Wir sollen ruhig weiterfahren, meint sie etwas gequält lächelnd.
Marion und Wolfgang haben sich gleich beim Sandeinstieg festgefahren und beschließen nun, lieber zum Zeitsee hinüber zu fahren und auf dem Schotter zu spielen. Wir anderen drehen weiter unsere Runden um Katja herum, die wir natürlich nicht aus den Augen lassen. Irgendwann muss sich Pat dann auch noch ablegen und rammt sich die Kante des Gepäckträgers in Bein. Au, das tut weh. Sie kann vor Schmerzen kaum noch laufen. So, nun sind alle Mädels aus dem Rennen. Pat kann ihre Suzi noch aus dem Sand heraus fahren und macht es sich im Schatten eines Baumes gemütlich. Katja hat sich halbwegs erholt und macht sich zu Fuß auf den Weg zu Pat, während Jörg ihre DRZ raus fährt. Wir Männer düsen dann noch eine Weile durch den Sand. Gegen Mittag fahren wir zur Unterkunft zurück. Marion hat in der Zwischenzeit den geordneten Rück- äh Umzug befohlen. Im Hotel Mohayut sind wieder Zimmer frei und die hat sie, wegen der Umstände in unserer momentanen Unterkunft (Kakerlaken, Mäuse, enge Zimmer) gleich mal reserviert. Wir bezahlen unsere Rechnung und räumen fluchtartig die Zimmer. Die Räume im Mohayut sind größer, besser und vor allem ohne Krabbelzeugs oder Kleinnager. Das ganze feiern wir dann gleich mit einer Runde Tee und Keksen.
Am Nachmittag fahren Pat, Kay, Jörg, Marion, Stefan und ich auch zum Zeitsee hinaus. In einer Reihe nebeneinander düsen wir über die leeren schwarzen Flächen vor dem See und ziehen dicke Staubwolken hinter uns her. Das sieht so toll aus, dass wir gleich eine Fotoaktion draus machen. Ich fahre auf Stefans Transalp und er sitzt mit dem Fotoapparat hinten drauf. Die anderen fliegen parallel neben uns her und Stefan haut ein Bild nach dem anderen raus. Da der Boden nicht immer ganz eben ist, muss ich ganz schön aufpassen, dass ich meinen Sozius nicht in der nächsten tiefen Furche verliere. Der Blick über den See ist auch nicht von schlechten Eltern. Das Blau des Wassers steht im Kontrast zur schwarzen Ebene und zu den rotgoldenen Dünen im Hintergrund. In der Mitte des Sees hat sich ein Schwarm Flamingos niedergelassen und die Vögel suchen dort nach Futter. Ein traumhafter Ausklang des Tages.
Entgegen unseren Plänen bleiben wir noch einen Tag in Merzouga. Zum einen geht es Valentin immer noch schlecht, er wird nun von Einheimischen mit Berbermedizin (Zitronenmassagen usw.) behandelt. Zum anderen gefällt es uns hier ziemlich gut und wir haben viel Spaß miteinander – auch wenn wir nicht deswegen hier sind ;-). Nach der morgendlichen Stärkung wollen Marion, Wolfgang, Hajo, Stefan und ich die Pistenstrecke nach Rissani fahren. Mittlerweile gibt es zwar auch eine Teerstraße von den Dünen aus bis Rissani, aber die wollen wir ganz bestimmt nicht benutzen. Die zahlreichen neuen Häuser und der Verlauf der neuen Straße bringen jedoch meine Erinnerungen an den alten Pisteneinstieg durcheinander, so dass wir dann doch die ersten zwei bis fünf Kilometer auf dem Asphalt rollen müssen. Dann endlich geht es auf dem Schotter weiter. Ich führe die Meute dicht an einem Dünengebiet vorbei, so dass wir nur wenig Sandkontakt haben. Für einige in der Gruppe ist die weiche körnige Masse eher ein rotes Tuch ;-). Jedes Tal das wir durchfahren ist irgendwie anders. Das eine kahl, das andere mit niedrigen Büschen bewachsen, wieder ein anderes – Sand! Na ja, ganz ohne geht es halt nicht in diesen Breiten, aber gemeinsam schaffen wir auch die sandigen Strecken mit nur wenigen Stürzen ;-). Letztendlich endet die Piste am Palmengürtel vor Rissani und es ist kein Weg hindurch zu erkennen. Ich lasse die Gruppe warten und fahre alleine als Scout voraus, um den Weg zu erkunden. Nach wenigen Kilometern schon habe ich einen geeigneten Ausweg gefunden und kehre zu den anderen zurück. Nur noch eine kleine Düne meistern – pardauz, da liegt die BMW. Macht nichts, aufstehen und weiter. Der Wolfgang kann das schon, wenn man ihn in Ruhe machen lässt. Dann ein schmieriger Single-Track und noch zwischen den eng stehenden Palmen hindurch - oops, an die Zylinder des Boxers habe ich hier gar nicht gedacht ;-). Jetzt noch durch den Graben, mit etwas Gas hoch und – Teerstraße erreicht. Die einen sind etwas traurig, dass der Offroadteil zu Ende ist, die anderen sind froh, dass sie endlich auf festem Boden rollen dürfen.
Wegen dem Ramadan ist in Rissani nichts los. Wir finden trotzdem ein Café, in dem wir einen Tee bekommen und dazu die obligatorischen Kekse futtern. Nach der Stärkung fahren wir noch zum „Kolosseum“ hinaus. Das ist ein großer Tafelberg, der von weitem wie der Circus Maximus in Rom aussieht. Statt Brot und Spiele gibt es dort Fossilien und schöne Ausblicke. Eine nette Schotterpiste führt uns hin. Der Tafelberg ist innen hohl und auf einer Seite ist die Wand herunter gebrochen. Dieser natürliche Zugang wurde irgendwann einmal mit einer Mauer verschlossen, Sieht aus, als ob da jemand mal eine Art Festung errichtet hat. Zutritt gibt es nur über eine alte Toröffnung in der Wand. Der betonierte Boden der Zufahrt ist zum Großteil weggebrochen. Die alten Armierungsgitter scheinen gierig nach dem armen Motorradler zu greifen, der sich auf dem übrig gebliebenen schmalen und sandigen Streifen entlang hangelt, doch wir entkommen alle den Greifarmen - zumindest fast alle, wie sich noch herausstellen sollte. Hinter dem Torbogen wird der Boden besser. Ein Schotterweg führt auf der Innenseite zur hinteren Bergwand hinauf. Runterschalten, Gas geben und – ach du Schreck. Der Untergrund ist mit reichlich großen Steinen gespickt, die einen immer aus der Spur in Richtung Abgrund drängen wollen. Nur mit viel Geschick und Kraft kann ich einen Sturz vermeiden und mich bis ganz nach oben hangeln. Das letzte Mal war der Weg noch in einem besseren Zustand. Die anderen folgen mir, nicht ahnend, was sie erwartet. Stefan kommt noch heil oben an, doch Hajo wirft seine Twin zu Boden. Wolfgang stürzt zwar nicht, kann einen heftigen Kontakt mit der Felswand jedoch nicht vermeiden. Und was ist mit Marion? Sie konnte dem Armierungsgitter nicht widerstehen, steht noch eingeklemmt unter dem Tor und kann weder vor noch zurück. Als die Jungs alle oben sind, fahre ich runter um Marion zu helfen. Gemeinsam befreien wir die Maschine. Ich rate ihr jedoch ab, auch den Weg nach oben zu nehmen, der ist zu gefährlich. Dann fahre ich wieder hoch, um mit den anderen die Aussicht zu genießen und Fossilien zu fotografieren.<(p>
Nachdem unsere Neugier befriedigt ist, fahren wir wieder nach Rissani zurück. Wir tanken alle voll und machen uns auf den Rückweg. Hajo und ich wollen uns noch mal die Piste geben, die anderen drei nehmen die Teerstraße. Damit wir nicht den gleichen Weg zurück fahren, suche ich eine andere Möglichkeit. Leider finde ich die nicht und mache den Fehler, über die nun ausgetrockneten Flächen zu fahren, die vor einiger Zeit noch durch starken Regen überschwemmt waren. Der Boden ist sehr weich und man kommt nur im ersten, maximal zweiten Gang und richtig Vollgas vorwärts. Die Temperaturanzeige wandert schnell in den roten Bereich, der Kühlerlüfter dreht wie wild und wir stecken echt in der Sch… . Ganze zehn Kilometer quälen wir uns über oder besser durch den feinstaubigen Boden. Mittlerweile hat sich auch der Luftfilter meiner Alp zugesetzt, der Motor spotzt und stottert. Zu allem Übel haben wir nicht mal Werkzeug dabei. Weder um den Filter zu reinigen, noch um im Notfall einen Reifen zu flicken. So ein Mist, wie ein kleiner Anfänger habe ich mich auf die Strecke gewagt :-(. Irgendwann erreichen wir endlich wieder den schwarzen Schotterboden. Eigentlich könnte man jetzt die Wutz wieder fliegen lassen, doch mit dem zugesetzten Luftfilter komme ich nur langsam vorwärts. Ich muss schauen, dass die Maschine möglichst ohne Last dahin rollt, dann geht es einigermaßen. Endlich kommt Merzouga in Sicht. Nur noch wenige Kilometer stottern, dann ist endlich die heiße Dusche und eine gute Mahlzeit greifbar.
Zeit für den Abschied. Stefan, Hajo und ich fahren heute weiter. Die anderen bleiben mindestens noch einen Tag länger, um ihre „Wunden zu lecken“. Schon vor dem Frühstück haben wir alles gepackt, jetzt müssen wir uns nur noch die Krümel vom Mund wischen und die Mädels zum Abschied ordentlich drücken ;-). Bis Rissani schwuchteln wir auf der Teerstraße dahin. Dort tanken wir alles voll, auch die Kanister und bunkern Wasser. Kaum fahren wir hinter der Tanke um die Ecke, ist keiner mehr hinter mir. Ich drehe um. Am Straßenrand stehen Hajo und Stefan und schauen bedrückt auf das Vorderrad von Hajos Twin. Sieht etwas luftleer aus der Pneu. Aber das ist kein Beinbruch. Wir schieben die Twin in den Schatten und bauen das Rad aus. Weil wir nichts zum Unterbauen haben, bleibt Stefan als Gegengewicht auf der Maschine sitzen, damit sie nicht vornüber kippt. Der Übertäter, in Form eines Akaziendorns, ist schnell gefunden und entfernt. Das Loch schließen wir mit einem Flicken und ruck zuck ist der Reifen wieder montiert. Damit wir uns nicht mit dem Aufpumpen überanstrengen müssen, nutzt Hajo die Tankstelle um die Ecke und lässt den Reifen mit dem Kompressor auffüllen. Mit frisch gefülltem Rad und einem Lächeln im Gesicht ist er schon bald wieder zurück. Noch ein paar Schrauben anziehen und es kann weiter gehen.
Den Einstieg zur Piste habe ich schon am Vortag erkundet. Diese Strecke bin ich bei der letzten Transalp Maroc-Challenge mit Jürgen und Brigitte schon mal gefahren, damals allerdings mit den leichten KTMs. Die Piste ist holprig und weichsandig. Mit den voll beladenen Zweizylindern ist das nicht immer einfach und fordert eine Menge Kraft. Dementsprechend legen wir öfter mal eine Pause ein. Die atemberaubend schöne Landschaft entschädigt die Anstrengungen. Zahlreiche Felsen flankieren unseren Weg, vereinzelte Arganien und Akazien wechseln sich ab. Ein oder zweimal treffen wir auf Kamelherden. Dann beginnen mehrere Ebenen, die in unserer Fahrtrichtung durch Felsriegel abgegrenzt sind. Wir preschen teils parallel über die weiten Flächen, müssen uns jedoch vor den Felsdurchstiegen, die wie kleine Pässe wirken, wieder hintereinander aufreihen. Diese Durchstiege sind meist ziemlich steinig und holprig, aber man hat immer einen tollen Ausblick auf die nächste Ebene. Am Nachmittag treffen wir auf ein Schild, das mitten auf der Piste steht. Auf dem ist ein Café angekündigt und darunter stehen auch gleich die Koordinaten. Wir tippen die Daten ins GPS ein und bekommen eine Entfernung von knapp sechs Kilometern angezeigt. Diesen Abstecher können wir wagen. Hajo fährt voraus und führt uns zu einer Kasbah, mitten im Nichts. Vor der Einfahrt liegt ein großer Sandhaufen, der Stefan zum Verhängnis wird. Gerade als er oben drauf ist, haut es ihn um. Wir helfen ihm beim Aufheben und er startet einen erneuten Versuch. Doch auch beim zweiten Anlauf, bei dem er es mit Gewalt versucht, scheitert. Ok, ich übernehme seine Maschine und zeige ihm, wie man es sich auch einfacher machen kann und umfahre den Sandhaufen einfach ;-). In der Kasbah, das Teil ist eine kleine nachgebaute Festung, keine original alte Wehranlage, werden wir von zwei jungen Männern begrüßt, die uns mit Tee und Nüssen verwöhnen. Wir ruhen uns im Schatten aus und bequatschen die weitere Strecke.
Nach der Pause suchen wir uns den Weg zur Hauptpiste zurück und legen dafür ein Stück querfeldein zurück. Kurz bevor wir planungsgemäß in ein Seitental Richtung Westen abbiegen, füllen wir die Reservekanister in die Haupttanks um, damit der Sprit nun schwerpunktgünstiger aufbewahrt ist. Dies war eine gute Entscheidung, denn die nächsten paar Kilometer sind weichsandig verspurt und da ist das Gewicht mittig unten besser aufgehoben, als hinten auf dem Gepäckträger. Ein gutes Stück weiter erreichen wir einen tiefen Abbruch, den man nur mit Seil und Haken überwinden kann. Doch die Piste führt uns direkt zu einem, für uns gerade noch möglichen Abstieg. Für Fußgänger, Kamele und Motorräder ist der schmale Pfad kein echtes Problem. Mit einem Auto müsste man sich allerdings einen anderen Weg suchen. Steil, steinig und gleichzeitig mit Weichsandstellen versehen, fordert uns der Abstieg einiges an Kraft und Geschick ab. Doch wir kommen alle wohlbehalten im Tal an. Hier stellt sich uns gleich die nächste Aufgabe, wir brauchen einen Platz für die Nacht. Uns wäre ein sandiger Platz am liebsten, am besten zwischen Dünen. Doch soviel Sand, dass es gleich für Sandberge reichen würde, ist hier nirgends zu sehen. Wir suchen den Horizont nach Dünen oder zumindest Dünchen ab, können bei dem diesigen Licht jedoch nicht wirklich unterscheiden, ob die Erhebungen aus Sand oder Stein sind. Was soll’s, fahren wir einfach drauf los, wir werden schon was finden.
Nur wenige Kilometer weiter öffnet sich rechterhand ein Tal, in dem es viel versprechend aussieht. Einige Sicheldünen haben sich zu einem Dünenfeld verdichtet. Das Gebiet liegt zwar Abseits der geplanten Strecke, aber wir sind ja flexibel. Gemeinsam starten wir zu einer Erkundung. Zunächst treffen wir auf vereinzelte kleine Sicheldünen, die wir leicht umfahren können. Dann stehen die Sandhügel immer dichter, so dass wir sie überqueren müssen. Wir fahren ein ganzes Stück in das Gebiet hinein, bis wir einen geeigneten Platz gefunden haben. Weicher ebener Boden und eine Düne als Windschutz im Rücken. Wir ziehen uns bis auf die Unterhosen aus, denn es ist ziemlich warm und hier sieht uns auch niemand. Ohne die schwere Motorradkleidung lassen sich die Zelte viel leichter aufbauen. Außerdem ist es sehr entspannend barfuß durch den Sand zu laufen. Während ich koche, sammelt Stefan Holz fürs Lagerfeuer. Nach dem Essen machen wir es uns neben dem prasselnden Feuer bequem. Wir liegen noch ziemlich lange da, schauen in die Sterne, schüren das Feuer und träumen vor uns hin. Einfach eine tolle Wüstennacht.
Nachdem wir die aufgehende Sonne hinreichend bewundert haben, wenden wir uns dem heißen Wasser zu. Das Frühstück ist unsere wichtigste Mahlzeit, zumindest vor 12:00 Uhr ;-). So früh am Morgen ist die Luft noch etwas frisch, dementsprechend träge sind unsere Bewegungen beim Zusammenpacken nach der Morgenvesper. Tatsächlich schaffen wir es dann doch noch irgendwann den Startknopf zu drücken und unsere Fuhren in Bewegung zu setzen. Die Strecke ist nun viel steiniger, auch größere Brocken liegen zahlreich auf der Piste. Damit wir unsere Reifen schonen, lassen wir etwas zarter angehen. Als wir Oum Jrane erreichen, werden wir von einem Schwarm Kinder empfangen. Jeder will uns den Weg erklären und dazu hinten drauf mitfahren. Doch wir kennen den Weg und wegen dem Gepäck ist auch gar kein Platz für die Kids. Wir fahren auf den Dorfplatz und sehen, dass es dort mehrere Fasstankstellen gibt. Gut zu wissen, auch wenn wir noch genug Sprit haben. Zumindest das Trinkwasser ergänzen wir aber bei der Gelegenheit. Ein Stück weiter, vor dem Tizi-n-Tafilalet, steht links eine Hütte und rechts ein Tresen mit Fossilien. Ein älterer Mann in einem nostalgischen Rollstuhl winkt uns zu. Wir halten an und bestaunen seine Auslagen. Er bietet uns kühle Cola an und wir sagen nicht nein. Wir wundern uns, wie er das Zeug ohne Kühlschrank so kalt bekommt. Egal, Hauptsache es erfrischt. Es gibt sogar zwei Toilettenhäuschen aus Schilfrohr, das riecht doch nach vielen Touristen? Doch der Mann verneint, es kommen nur selten Fremde vorbei. Wahrscheinlich sind wir seit längerer Zeit die einzige Kundschaft. Ein hartes Auskommen für die hiesigen Bewohner.
Bei einer weiteren Pause im Schatten eines Baumes kommt ein Mädchen mit einer Ziegenherde vorbei. Sie steht die ganze Zeit da und starrt uns nur an. Auf unsere Fragen antwortet sie nicht. Was mag sie nur über uns denken? Wir bieten ihr Kekse an, die sie auch wortlos annimmt. Auf einmal zieht sie einige Schnüre mit aus Perlen geflochtenen Eidechsen heraus, die sie uns verkaufen möchte. Nach kurzen Verhandlungen sind wir uns einig und ich kaufe ihr so ein Teil ab. Anscheinend müssen doch ab und zu Touristen vorbei kommen, gegenseitig werden sich die Leute hier nicht so etwas verkaufen wollen. Nach dem Handel zieht die junge Dame samt ihren neugierigen Ziegen weiter und auch wir machen uns auf zur letzten Etappe. Zagora dürfte nur noch ungefähr 30 km entfernt sein.
Die Piste wird immer steiniger und vom Zustand her immer schlechter. Na gut, die letzten Kilometer bis Zagora waren noch nie ein Zuckerschlecken, aber so schlimm war der Pistenzustand noch nie. Tiefe ausgespülte Rinnen, große Steine und teils weggeschwemmte Pistenstücke machen uns das Leben schwer. An einer Stelle lege ich dann auch mal das Mopped ab, so ein Mist! Nach weiteren Quälereien können wir irgendwann im Tal das Asphaltband sehen, das gibt Auftrieb. Als wir endlich dort sind, hätten wir am liebsten den Boden geküsst. Nun rollen wir leichtfüßig auf dem glatten Boden dahin, eine wahre Entspannung. In Zagora entern wir erstmal ein Café und trinken ein Cola-/Wassergemisch gegen den Durst und auch zwei Kannen Tee, weil es einfach schön ist hier Tee zu trinken und dem Treiben auf der Straße zuzuschauen. So einen Trubel und so einen Verkehr sind wir gar nicht mehr gewöhnt. Die letzten Meter zum Campingplatz Sindibad schaffen wir dann auch noch - wenn auch etwas unwillig uns wirklich bewegen zu wollen. Dort bauen wir unsere Zelte unter einem Sonnenschutzdach auf. Der Platz an sich ist nicht schlecht, aber die sanitären Einrichtungen sind äh, sagen wir mal gewöhnungsbedürftig. Irgendwie nicht wirklich schmutzig, aber mit einem bestimmten Zustand des Verfalls behaftet. Wenigstens ist die Dusche halbwegs warm. Am Abend laufen wir in den Ort und suchen uns ein Lokal zum Essen. Doch irgendwie haben wir die falsche Zeit erwischt. Die Sonne ist gerade untergegangen, deshalb sind die ganzen Muslime jetzt beim Essen, es ist ja noch Ramadan und da muss tagsüber gefastet werden. Nach einer Weile finden wir ein offenes Restaurant und lassen uns dort das Abendessen servieren. Nach dem Essen geht Stefan direkt zum Zelt zurück, er hat etwas Probleme mit dem Magen. Hajo und ich besuchen noch ein Internetcafé und melden uns zu Hause. Danach trinken wir noch eine Cola an einem belebten Platz und schauen was hier so abgeht.
Nach einem Frühstück im Ort, lungern wir auf dem Campingplatz herum. Heute machen wir einen faulen Tag. Zunächst ist der Tag aber nicht so faul, schließlich will die Wäsche gewaschen und die Maschine durchgesehen werden. Mittags kochen wir uns eine Suppe und lassen uns von einer hübschen blonden Besucherin ;-) mit frischen Datteln beschenken. Als wir gerade so gemütlich in der Sonne liegen, kommt die „Marion-netten-Truppe“ angefahren. Nun ist es aus mit der Ruhe und die Erfahrungen werden ausgetauscht. Am späten Nachmittag raffen wir uns dann doch noch zu einer kleinen Tour auf, so ganz ohne Fahren ist das ja auch nichts, wir sind schließlich nicht zum Spaß hier. Weit kommen wir jedoch nicht, nur bis ins zehn Kilometer entfernte Tamgroute. Dort besichtigen wir zuerst eine Töpferei, dann gehen wir ins Inane Dar, einem kleinen Hotel, das von einer Schweizerin und einem Marokkaner geleitet wird. Wir lassen uns unter einem offenen Beduinenzelt nieder und bestellen die üblichen Getränke, Cola, Wasser und Tee. Nebenbei kommen wir mit anderen Gästen ins Gespräch und machen auch gleich das Abendessen aus. Die Zeit vergeht mit Smalltalk wie im Flug. Dann wechseln wir ins Speisezelt hinüber und lassen uns mit Leckereien verwöhnen. Nach dem Essen sitzen wir noch lange mit der Chefin Doris und anderen Gästen zusammen und unterhalten uns über Gott und die Welt und die Regen- Probleme in der Region. Schade, dass wir wieder zurück müssen. Wir wären gerne noch länger geblieben. Dafür melden wir uns gleich für das Frühstück am nächsten Morgen an, hier gefällt es uns!
Die Nacht ist kurz, doch die Vorfreude lässt uns rasch zusammenpacken. Noch eine kurze Verabschiedung von den anderen, dann heißt es Gas geben und los. Ab heute ist der Ramadan zu Ende. Überall sind gut gekleidete Leute zu sehen, die sich zum gemeinsamen Gebet treffen. Das Ende des Ramadan wird drei Tage lang gefeiert, die Behörden und offizielle Stellen sind geschlossen. Das Inane Dar ist zum Glück offen und das Frühstück ist genauso lecker wie das gestrige Abendessen. Auch die Unterhaltungen sind nicht weniger interessant. Irgendwann müssen wir uns aber doch losreißen, wir sind ja nicht zum Spaß hier unten ;-). Mit dem Versprechen, bei der nächsten Tour im Inane Dar unterzukommen, verabschieden wir uns.
Nun liegen einige Straßenkilometer vor uns. Zunächst fahren wir das Vallée du Drâa hinauf und genießen die Aussicht auf die vielen Palmen, die Ksour aus Lehm und den Blick auf die Berge. In einem belebten Dorf hupt Hajo plötzlich. Schon wieder ist sein Vorderreifen platt und genau hier, wo sich jetzt eine johlende Schar Menge Kinder um uns drängt. Da müssen wir jetzt halt durch. Wir stellen die Maschine gerade hin und Stefan beschwert in gewohnter Manier das Heck, damit wir das Vorderrad ausbauen können. Mittlerweile sind die Kinder stiller geworden, sie schauen uns neugierig zu. Einige stellen Fragen, aber wegen kleiner Sprachbarrieren, kann ich nicht wirklich antworten. Ich kann zwar ein Zimmer auf Französisch reservieren oder etwas zu Essen bestellen, aber leider nicht erklären, wie man einen Reifen wechselt. Da müssen sich die Kids mit dem Zuschauen begnügen. Als Hajo und ich nach der Reparatur abwechselnd den Reifen aufpumpen, werden die Jungs wieder lauter. Als ich ihnen die Luftpumpe hinhalte, damit sie ihre Energie in Druckluft statt in Lautstärke umwandeln, sind sie aber gleich wieder ruhig. Im Großen und Ganzen war die Reparatur viel unspektakulärer, als ich bei der großen Kinderschar zunächst befürchtet hatte. Ich habe da schon ganz andere Aktionen erlebt. Zum Abschied wollen uns nun alle die Hand geben und natürlich auch alle mitfahren. Doch wenn wir jetzt einen mitfahren lassen, dann sind wir bis heute Abend beschäftigt, bis alle eine Runde hinten drauf waren.
Weiter geht die Reise, hoffentlich war das jetzt der letzte Plattfuß. Bevor wir die Hauptstraße verlassen und Richtung Nekob abzweigen, halten wir in einem kleinen Ort an, um Wasser und Kekse zu besorgen. Eine Menge Leute stehen herum und beobachten uns argwöhnisch. Als Stefan plötzlich anfängt Faxen zu machen, ist der Bann gebrochen. Alle lachen mit uns und die Kinder winken uns freudig zu. So kann man auch mit kleinen Gesten das Herz der Leute öffnen.
In Nekob ergänzen wir den Sprit und nutzen die Gelegenheit gleich für einen Besuch in einem Café. Nachdem Fahrzeuge und Besatzung ausreichend gesättigt sind, biegen wir auf die Piste zum Tizi-n-Tazazert ein. Die Strecke beginnt harmlos, doch flechten sich immer wieder schwierige Stellen ein. Meine Gedanken fliegen ein paar Jahre zurück, als ich den Pass zusammen mit Vroni, nur in umgekehrter Richtung, gefahren bin. Doch dann braucht die Strecke wieder meine volle Aufmerksamkeit. Von den Höhen aus kann man in tiefe Täler hinabschauen, durch die kleine Flüsse und Bäche fließen. Die Ufer sind mit Palmen gesäumt und hin und wieder duckt sich ein Dorf unter die steilen Felsen. Kehren führen hinab zu den Ortschaften und jenseits des Tales wieder hinauf. Frauen hacken in den Feldern, alte Männer reiten auf Eseln, Kinder winken uns zu. Am Anstieg zur Passhöhe haben sich mittlerweile einige Restaurants und Auberges angesiedelt. Noch vor wenigen Jahren war hier nichts derartiges. Wir nutzen die neue Infrastruktur für eine Pause und erfrischen uns mit kühler Cola.
Ab jetzt geht es wieder einfacher weiter. Schöner Schotter, auch wenn die Kehren manchmal ziemlich eng werden. Zweimal kommen Autos entgegen, einmal sogar eine Truppe Mountainbikefahrer. Kurz unterhalb der Passhöhe gibt es neuerdings sogar ein kleines Hotel. Sollen wir über Nacht hier oben bleiben? Doch wir wollen lieber noch bis Tinerhir weiterfahren, auch wenn es zeitlich eng aussieht. Die Nordrampe des Tizi-n-Tazazert ist nicht ganz so wild wie die Südseite. Auch landschaftlich hat sich das Gesicht verändert. Dominierten im Süden kahle und schroffe Felswände, so ist hier vieles grün und dicht bewachsen. Als wir im Tal eine breite frisch geschobene Piste erreichen, freuen wir uns über die Möglichkeit, doch noch vor Dunkelheit in Tinerhir anzukommen. Wir lassen es richtig fliegen und es kommt mal wieder Rallye-Feeling auf. Wenige Kilometer später werden wir ernüchtert. Wir müssen wieder auf schmalen holprigen Pfaden weiterrollen und kriegen so natürlich kein Stück. Dann bricht die Dämmerung herein und die letzten 30 Kilometer müssen wir in völliger Dunkelheit zurücklegen. Vorne sieht man kaum was und von hinten blenden die anderen mit ihren Scheinwerfern. Insbesondere der von Stefan, dessen Abblendlicht sich bei einem Sturz verabschiedet hat und deshalb gezwungenermaßen mit Fernlicht fährt. Es ist ein hartes Stück Arbeit, bis wir endlich die Lichter Tinerhirs sehen, aber wie gesagt, wir sind ja nicht zum Spaß hier ;-)
Vor der Stadt endet die Piste an einem Zaun. Wir tuckern ein Stück weit am Maschendraht entlang und enden an einem tiefen stinkenden Graben. Eine kleine, ca. 45 Zentimeter breite Beton-„Brücke“ führt zur anderen Seite hinüber. Ok, denke ich, Augen an den Horizont und rüber. Doch als das Vorderrad auf dem Träger steht, verlässt mich schlagartig der Mut. Die Beine zittern und ich breche das Vorhaben lieber ab. Hajo und Stefan sind sichtlich erleichtert, weil ich sie so nicht in Zugzwang bringe. Wir durchqueren dann doch lieber den ekligen Graben. Weil wir dazu beide Hände am Lenker brauchen, können wir uns nicht mal die Nase zuhalten. Drüben erwartet uns eine hauptstraßenbreite Piste und führt uns in die Stadt hinein. Das viele Licht und der plötzliche starke Verkehr irritieren uns etwas. Wir zirkeln durch die Straßen und suchen den Weg zur Todra-Schlucht. Bald darauf haben wir die Stadt verlassen und durchqueren kleinere Orte, die sich wie Perlen an einer Kette aufreihen. Endlich erreichen wir den Camping Atlas. Früher war das fast der einzige Platz in der Gegend, mittlerweile sind überall Campings und Hotels ausgeschildert. Da wir nun keine Lust mehr auf Zeltaufbau haben, nehmen wir uns Zimmer. Jetzt noch rasch duschen und dann endlich was leckeres Essen.
Während des Frühstücks schauen wir eine Weile einem Dattelpflücker zu, der ohne Sicherung auf die hohen Palmen klettert, die Fruchtbeladenen Zweige abschneidet und an einem Seil nach unten ablässt. Ich hätte mich mit dem Seil lieber angebunden und die Datteln runter geschmissen. Dann besprechen wir unser weiteres Vorgehen. Sollen wir eine weitere Nacht bleiben und die Todra-Dades-Runde ohne Gepäck fahren? Nach Abwägung der Vor- und Nachteile, entscheiden wir uns für die Fahrt unter Last. Dann brauchen wir nicht noch mal zurück fahren und können gleich nach Ouarzazate weiter. Seit kurzer Zeit führt eine Teerstraße durch die Todra-Schlucht. Das ist zwar nicht mehr so abenteuerlich wie die frühere Schotterstrecke, die landschaftlichen Schönheiten sind jedoch genauso attraktiv wie vorher. Einfach klasse zwischen den hohen Felswänden hindurch zu cruisen. Oben in Tamtatouchte waren die Kinder in der Vergangenheit immer am aufdringlichsten. Mit List und Tücke haben sie versucht die Reisenden in die falsche Richtung zu schicken und wollten sie dann, gegen Bezahlung natürlich, wieder auf den rechten Weg bringen. Seit der Weg asphaltiert ist, ist auch die Richtung klar und so haben uns die Kinder nicht mal mehr angeschaut. Wir wollen jedoch nicht auf dem Teer bleiben, sondern suchen den Einstieg auf die Piste zur Dades-Schlucht hinüber. Dieser ist mittlerweile auch ausgeschildert und somit kein Problem mehr. Das war er vorher eigentlich auch nicht – sofern man ein GPS hatte.
Zunächst geht es halbwegs entspannt weiter. Die Strecke ist meist gut zu fahren und nur selten schleichen sich hohe Absätze oder schräge Furchen vor die Räder. Dann kommt eine Gabelung. Ich kenne aus der Vergangenheit nur den Weg, der geradeaus und ziemlich steil den Weg hinauf führt, also bleibe ich bei der eingeschlagenen Richtung. Die Steine sind ziemlich groß und versuchen mich immer wieder aus der Spur zu drängen. Die hohen Absätze tun ihr übriges, um die Auffahrt zu verhindern. Ungefähr in der Mitte des Hanges schaffen sie das auch und ich stecke neben der Piste zwischen jungen Felsen und niedrigem Gebüsch fest. Beim Anfahrversuch dreht immer das Hinterrad durch und bringt keinen Vortrieb. Meine Beine sind zu kurz, um die höher gelegte Transalp noch lange halten zu können. Inzwischen ist auch Hajo vorbeigerauscht, gut dass er nicht angehalten hat, um zu helfen, dann hätten wir sicher beide festgesessen. Nach mehreren Versuchen habe ich mich dann endlich losgewühlt. Mit viel Gas und schleuderndem Heck komme ich wieder auf die Spur zurück, kämpfe mich weiter den Berg hinauf und erreiche, etwas entkräftet, aber glücklich, die Hauptpiste. Auch Stefan schafft den Anstieg ohne Sturz und wird dafür von Hajo zum Enduroritter geschlagen. Bislang liegt er mit 24 Stürzen konkurrenzlos an der Spitze unserer Tabelle. Dieser schwierige Weg war eine wahre Meisterleistung für den Offroad- Unerfahrenen.
Ab jetzt kommt nur noch Pipifax – im Vergleich zu diesem Hang. Ab und zu stehen Berberzelte nahe der Piste. Als die Kinder uns vorbeifahren hören, kommen sie angelaufen. Aber bis sie die Piste erreichen, sind wir meist schon vorbei. Auch der ein oder andere Hund fühlt sich genötigt uns seine Zähne zu zeigen. Ein besonders angriffslustiger Köter wird sich heute noch an meinen Stiefel erinnern. Gegen Bellen hab ich nichts, gegen Beißen jedoch schon. In M’sehir erreichen wir die Teerstraße. Im Lokal am Straßenrand machen wir Pause und sitzen auf der Terrasse. Lange bleiben wir aber nicht. Hier oben weht nämlich ein unangenehm kühler Wind, der uns schon bald weitertreibt. Auf dem Weg nach Boumalne gibt es noch einige schöne Ausblicke auf Flussschleifen, die das Wasser in zig hunderttausend Jahren in den Fels gewühlt hatte. Das Wasser ist tief unten im Tal immer noch da, deshalb wurden hier viele Felder angelegt, deren Farben überall zwischen den Bergen zu sehen sind und nach dem ewigen Graubraun erholsam auf die Augen wirken. Linkerhand erheben sich alte Kasbahs in den Himmel. Zeugen einer Zeit, in der der Kampf ums Überleben auch den streitsüchtigen Nachbarn oder andere Stämme mit einbezog.
In Boumalne biegen wir in Richtung Ouarzazate ab. Die Straße ist ziemlich verkehrsreich, viele LKW rasen mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Ortschaften. Die Orte liegen so dicht beieinander, dass es uns fast wie die Durchquerung einer einzigen großen Stadt vorkommt. Nach vielen Kilometern Verkehrsstress ziehen sich die Häuser zurück und der Weg steigt in die Berge hinauf. Das Wetter ist trüb, windig und kalt. Irgendwann ist es uns zu kalt. Wir stoppen und ziehen uns warm an. Pullis drunter, Jacke drüber, dickere Handschuhe und Sturmhaube. So gewappnet lassen wir nun die Kuh fliegen. Die Straße ist kurvenreich, aber gut ausgebaut. Selbst mit dem Desert kann man es hier gut laufen lassen. In Ouarzazate werden wir wieder von einem starken Verkehr empfangen. Im Getümmel der Straßen schieben wir uns langsam auf den Stadtkern zu. Nahe der großen Kasbah steht rechts ein besseres Hotel mit lauter KTMs im Hof. Da fahren wir doch gleich einmal hin. Die Maschinen gehören zu einer geführten Tour eines Unternehmens aus Andorra. Während Stefan und Hajo mit den Leuten reden, lasse ich mir die Zimmer zeigen. Wie so oft in großen Hotels, werden mir die hintersten, kleinsten, dunkelsten usw. Räume gezeigt. Der Preis ist jedoch der gleiche, wie bei den schönen Zimmern mit guter Aussicht. Zudem ist er auch noch zu hoch für das Gebotene. Mittlerweile sind die beiden anderen von Peter angesprochen worden, einem Holländer, der in Ouarzazate lebt. Er bietet uns an in seinem Haus zu übernachten. Er hätte Zimmer für acht Personen, eine große und bei Schraubbedarf gut ausgerüstete Garage. Für die Übernachtung mit Halbpension verlangt er 30 Euro/Person. Alle Soft-Getränke sind frei, nur Bier muss extra bezahlt werden. Der Deal geht klar, Peter fährt mit seinem Toyo voraus und wir versuchen mit seinem Tempo mitzuhalten. Man merkt, dass er täglich auf diesen Straßen unterwegs ist. Das Bikershome von Peter liegt etwas unscheinbar in einem äußeren Stadtteil von Ouarzazate. In der Garage ist eine saubere Werkstatt eingerichtet, vom Kompressor bis zum Schweißgerät ist alles vorhanden. Die Zimmer sind traditionell eingerichtet, überall weiche Teppiche. Nach dem Duschen dürfen wir auch die Waschmaschine benutzen. Das Abendessen nehmen wir im Kreise der Familie ein. Peter ist mit Zineb, einer Marokkanerin verheiratet und hat eine süße zweijährige Tochter namens Selma. Es gibt natürlich viel zu erzählen, angefangen bei Peters Lebensgeschichte, den teilweisen Schwierigkeiten hier zu leben bis hin zu Tipps für prima Pistenstrecken. Die Zeit mit den Erzählungen vergeht viel zu schnell, irgendwann in der Nacht fallen wir erschöpft in die Betten.
Auch das Frühstück wird im Familienkreis eingenommen. Es gibt sogar Nutella und holländischen Gouda. Von so einer angenehmen Runde kann man sich nur schwer losreißen. Peter gibt uns noch die letzten Tipps für den bevorstehenden Schotter, dann müssen wir leider los. Noch ein letztes Winken, dann sind wir weg. Wie immer vor Pistenstrecken tanken wir voll und bunkern Wasser. Der Weg auf die Piste ist hier sogar ausgeschildert, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Die Strecke ist angenehm zu fahren, fast wie eine Straße. Leider spielt das Wetter nicht so ganz mit. Der mit dunklen Wolken bedeckte Himmel verwandelt alle Farben in graubraune Töne. Wir durchqueren eine hügelige, spärlich bewachsene Landschaft. Alle Pistenabzweige sind hier ausgeschildert, anscheinend werden die Strecken oft befahren. Trotz der Beschilderung verfahre ich mich in einem Dorf. Die Gassen sind so eng, dass wir meine Maschine nur zu zweit wenden können. Wie sich herausstellt, hätten wir gar nicht ins Dorf rein fahren müssen, der Weg führte außen herum. Wir überqueren einen Pass mit schöner Aussicht über die Seitentäler und fahren ins nachfolgende Tal hinab. Ab und zu gibt es hier ein paar tiefe steinige Stellen zu meistern, aber schon nach dem nächsten Abzweig wird die Piste wieder breiter und freundlicher. In Tazenakht endet die Offroad-Strecke. Der Ort ist ein Knotenpunkt für Warenaustausch und Drehscheibe für Busse von allen und in alle Richtungen. Entsprechend turbulent geht es auf den Straßen zu. In einem Café machen wir etwas länger Pause. Da mittlerweile die Sonne die Wolken verdrängt hat, ist hat auch die Temperatur wieder angenehmere Werte angenommen. Gelegenheit die warmen Sachen gegen etwas Luftigeres einzutauschen. Ab hier geht es ziemlich asphaltlastig und leider auch etwas langweilig weiter. Zeit um Gas zu geben und Strecke zu machen. Bis Agadir sind es noch gut 250 Kilometer.
Ungefähr auf halbem Wege ziehen sich tiefschwarze Wolken über uns zusammen. Es fängt leicht zu tröpfeln an. Wir diskutieren, ob wir den Regenkombi anziehen sollen. Hajo prüft den Streckenverlauf und beobachtet die Windrichtung. Eigentlich bewegen wir uns gleich vom Wetter weg, da sollten wir mit der Gummihaut noch etwas warten. Wir hoffen, dass er Recht hat und düsen weiter. Tatsächlich fahren wir um das Unwetter herum, ohne nass zu werden. Da kommt schon das nächste Problem. Stefan fährt schon einige Zeit auf Reserve und keine Tankstelle in Sicht. Na ja, das ist kein wirkliches Problem, Hajo und ich haben größere Tanks und können notfalls etwas Sprit abgeben. Natürlich finden wir noch rechtzeitig eine Tanke, auch wenn Stefan mit den Augen rollt, als er 17,7 Liter in seinen 18 Liter Tank laufen lässt. Mit vollen Tanks können wir jetzt auch wieder richtig Stoff geben. Je näher wir Agadir kommen, desto besser wird sogar das Wetter. Der Himmel ist bald wolkenfrei und die Sonne brennt. An der Strandpromenade des bekannten Urlaubsortes angekommen, suchen wir uns ein Hotel. Ich schlage den Agadir Beach Club vor, in dem ich vor ein paar Jahren schon einmal war. Doch das Haus ist nicht gerade billig. Stefan möchte etwas Günstigeres haben und fährt voraus. Schließlich kommen wir im Hotel Adrar unter. Die Unterkunft hat ihre besten Zeiten lange hinter sich, aber das Preis-/Leistungsverhältnis ist akzeptabel und für die eine Nacht ist es schon in Ordnung. Wir beziehen das Zimmer und während die anderen beiden Duschen, schalte ich mein Handy ein, Beep-beep, eine SMS. Valentin schreibt, dass er gerade in Agadir sei und auf seinen Flieger nach Hause warte. Er hatte einen schweren Sturz und seine Maschine sei nicht mehr fahrtüchtig. Ich rufe ihn sofort an und wir machen ein Treffen aus, wollen zusammen zu Abend essen. Nachdem wir alle stadtfein sind, marschieren wir los. Erst an der Rezeption, dann noch von zwei Polizisten (sicher ist sicher) lassen wir uns den Weg zu Vallys Hotel erklären. Gut zwei Kilometer haben wir zu laufen und treffen den Verunfallten mit Bandagen an Kopf, Armen und Beinen in der Lobby seiner Unterkunft. Gemeinsam spazieren wir zur Promenade hinunter und suchen uns ein Restaurant. Hier muss Valentin natürlich alles haarklein erzählen und trotz des Unglücks haben wir auch viel zu Lachen.
Von Agadir aus fahren wir auf der Küstenstraße nach Norden. Die Sonne brennt, das Meer wirft hohe Wellen an das Land und wir schwenken von einer Kurve in die nächste. Weiter im Norden verläuft die Straße mehr im Landesinneren. Hier treffen wir auf Ziegen, die hoch in die Bäume hinauf klettern und dort die Blätter fressen. Kaum zu glauben, aber wahr. Kurz vor Essaouira liegt ein mir altbekannter Campingplatz. Dort gibt es auch Zimmer und bequemerweise entscheiden wir uns für die feste Unterkunft. Nach der Körperpflege fahren in den schönen Küstenort und stellen die Motorräder auf einem bewachten Parkplatz ab. Zu Fuß erkunden wir die von Portugiesen erbaute Altstadt und den schönen Fischerhafen. Natürlich lassen wir uns auch fangfrischen Fisch direkt im Hafen grillen. Ein wirklicher Genuss. Hier ist der Gegensatz zur Einsamkeit in der Wüste. Überall Leute, Touristen, Trubel, Treiben, Geschäfte, Restaurants. Aber das alles ist irgendwie anders als zum Beispiel in Agadir. Alles scheint lockerer zu sein, einfacher, angenehmer, cooler. Hier macht es einfach Spaß unter Leuten zu sein. Außerdem ist das Licht toll und es bieten sich im Hafen viele interessante Motive zum Fotografieren. So bleiben wir auch bis weit in die Dunkelheit dort und fahren erst spät wieder zurück.
Die nächste Etappe führt uns nach Marrakech. Die Straße führt nur geradeaus und ist etwas langweilig. Der Himmel ist wieder zugezogen und ab und zu werden wir von einigen wenigen Regentropfen geärgert. Als wir auf der Strecke einen Verkehrsunfall passieren und uns erst geraume Zeit später ein Krankenwagen entgegenkommt, wird uns wieder bewusst, das dies nicht Deutschland ist - insbesondere was die Gepflogenheiten im Verkehr betrifft und auch die entsprechende Infrastruktur. Vor Marrakech nimmt der Verkehr sehr stark zu. Ein LKW nach dem andern, viel Gegenverkehr, Überholen ist nicht immer einfach. Im Straßengewirr Marrakechs finde ich auf Anhieb das Hotel, in dem wir schon auf der Tour 2000 genächtigt hatten, ich bin Stolz auf mich ;-). Zu Fuß wollen wir zum Djemma el Fna gelangen, doch schon nach wenigen hundert Metern beginnt es zu regnen. Zum Glück sind wir wenigstens während der Fahrt davon verschont geblieben, bis auf die paar wenigen Tropfen. Wir halten ein Taxi an und lassen uns trocken zum Platz kutschieren. Hier ist der Regen noch nicht so schlimm und wir erkunden die Attraktionen wie Affen, Schlangen, Quacksalber, Artisten, Musikern und was es sonst noch alles zu bestaunen gibt. Klar, dass wir wieder am Stand Nr. 6 unseren frisch gepressten Orangensaft trinken und davon nicht nur einen. Dann müssen wir doch noch vor dem Regen flüchten und finden ein kleines Café. Hier warten wir bei Tee, Cola und Thunfisch-Sandwich, auf das hoffentlich baldige Ende des Gusses. Als der Segen von oben nachzulassen scheint, schlendern wir durch den Souk. Tücher, Schildkröten, Kräuter, Töpfe, lebende Hühner, tote Ziegen, Taschen und Jacken aus Leder und vieles vieles mehr gibt es zu bestaunen, zu riechen und zu fühlen. Um zahlreiche Eindrücke bereichert, kommen wir zum Platz zurück. In der Zwischenzeit wurden lauter Essbuden und Garküchen aufgebaut. Überall wird gebrutzelt, gegrillt und gekocht. Zunächst verschaffen wir uns einen Überblick über das Angebot, Schnecken? Nein danke. Auch die gekochten Schafsköpfe entsprechen nicht unserem Geschmack. Aber die Auswahl ist groß und für jeden ist etwas dabei. Wir setzen uns an einen Tisch, unter eine notdürftig gegen den Regen aufgeschlagene Plane. Wir bestellen ein vegetarisches Menü und werden auch prompt mit reichlichen Speisen bedient. Ab und zu wird es ziemlich turbulent. Der Wind reißt die dünnen Plastikplanen in Fetzen und die Köche versuchen rasch das Ganze zu flicken oder Ersatz heranzuschaffen. Unser Abendessen ist echt ein Erlebnis.
In der Nacht hat sich der Regen verzogen. Ein paar Wolkenfetzen ziehen noch dahin, aber es schaut nicht schlecht aus. Wir verlassen Marrakech in Richtung Fes, wohl wissend, dass wir da heute nicht mehr ankommen werden. Ein ganzes Stück vor Beni Mellal fahren wir nach Süden. Ich war schon so oft in Marokko, aber noch nie bei den Cascades d’Ouzoud. Diese Wasserfälle will ich mir nun endlich einmal anschauen. Allein die kurvenreiche Straße durch die Berge ist schon diesen Abstecher wert. So lassen wir uns flott dahin treiben, ohne jedoch die tolle Landschaft aus den Augen zu lassen. Die Ortschaft Ouzoud besteht zu großem Teil aus Campingplätzen und Parkflächen für die Besucher. Am Ende des Ortes halten auch wir an und lassen unsere Maschinen auf einem bewachten Platz stehen. Ein Junge führt uns zu den Wasserfällen, den wir natürlich auch ohne Führer gefunden hätten. Aber die Leute sollen auch ja auch was verdienen. Durch die Regenfälle der letzten Tage haben die Fälle reichlich Wasser, das durch die mitgespülten Erden leider ziemlich braun ist. Trotzdem stürzen sich die Fluten sehr beeindruckend in die Tiefe. Den Weg ins Tal hinunter wollen wir uns sparen, denn mit Cross-Stiefeln lässt es sich so schwer laufen, besonders wenn es seitlich ungesichert in die Tiefe geht! Bevor wir weiterfahren, trinken wir noch gemütlich etwas, lassen das Gesehene Revue passieren und die Kekstüte rundgehen.
Bis Azilal ist der Weg eher unauffällig, aber nach dem Ort geht es rund. Die Strecke ist noch spektakulärer, als der Hinweg. Jetzt lassen wir es sogar sportlich angehen und flitzen durch Kehren und Kurven. Mach echt Spaß, auch wenn wir deswegen nicht hier sind. Landschaftlicher Höhepunkt ist zweifellos der Stausee Barrage Bin el-Ouidane. Von hoch oben sieht man ihn schon im Tal liegen, fährt dann ein Stück am Ufer entlang um schließlich noch über die schwerbewachte Staumauer zu fahren. Danach geht es wieder in die kurvigen Berge, bis wir wieder an der Nationalstraße ankommen, die 1.200 Meter unterhalb des Bergmassives liegt. Nun geht es wieder etwas ruhiger weiter. Ab Khenifra wird es langsam dunkel. Im Dunkeln zu fahren ist hier echt nicht angenehm. Dazu kommt, dass mit der Sonne auch die Wärme weg ist und hier in den Bergen ist es nun empfindlich kalt. Die anderen Fahrzeuge sind unzureichend bis gar nicht beleuchtet. Andere wiederum schalten alles ein was sie haben und blenden gnadenlos. So kämpfen wir uns Kilometer für Kilometer weiter, bis wir endlich Azrou erreichen. Wir beziehen unser Zimmer und müssen feststellen, dass es noch kein warmes Wasser gibt. Also laufen wir erstmal in den Ort, um wenigstens etwas Warmes zu essen. Nach dem Essen trinken wir in der Bier-Bar (das erste Mal, dass ich so was in Marokko sehe) vor dem Hotel noch ein gute Nacht Bier. Dann geht es unter die heiße Dusche und ab in die Falle.
In der Nähe von Azrou steht die größte Zeder Marokkos. Dieser statten wir natürlich einen Besuch ab. Dazu fahren wir ein Stück auf Schotter durch den Wald. Der Baum ist zwar ziemlich groß, sieht aber nicht mehr sehr lebendig aus. Umgeben von Souvenirhüttchen und Andenkenverschlägen, ragt er ziemlich kahl in den Himmel. Wir nutzen die Gunst der Stunde um gleich noch eine Runde durch den Zedernwald, der mehr aus Wald als aus Zedern besteht zu drehen. Hin und wieder sehen wir einige der Makaken, die hier in der Gegend leben und ab und zu nach Futter betteln. Es ist irgendwie ein komisches Gefühl, nach wochenlanger Fahrt durch karge Gebiete wieder mal dichten Wald und grüne Bäume zu sehen. Die Gegend erinnert ein wenig an das Elsass, auch wenn es doch irgendwie anders riecht. In Ifrane fahren wir auf den Platz im Ortskern. Hier machen sich gerade eine Menge spanischer Motorradfahrer, meist auf Gold Wings oder dicken BMWs, zur Weiterfahrt in Richtung Süden bereit. Die staunen natürlich nicht schlecht, als sie unsere stollenbereiften Maschinen sehen, wohl ahnend, dass sie unsere Offroad- Strecken mit ihren Dickschiffen nie fahren könnten. Wir nehmen die nun freigewordenen Plätze vor dem Café ein und bestellen die üblichen Getränke. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint uns direkt ins Gesicht. Es ist einfach schön hier. Das Haus sieht vom Baustil her aus, als wenn es im Schwarzwald stehen würde. Auch die Dächer der umliegenden Häuser sind marokkountypisch sattelförmig, damit der Schnee besser abrutschen kann. Ifrane ist nämlich ein alter französischer Wintersportort und die Gebäude sind den winterlichen Erfordernissen angepasst. Viel zu schnell streicht die Zeit vorbei und es kostet viele Mühen uns vom bequemen Sessel aufzuraffen.
In Fès erwartet uns der übliche Großstadtverkehr, rote Ampeln, zugestopfte Straßen, viele Fußgänger. Aus der Erinnerung heraus versuche ich den Bahnhof zu finden, denn genau daneben steht ein Hotel, in dem wir schon einmal zu Gast waren. Diesmal ist es jedoch Essig mit dem schnellen zurechtfinden. Wir drehen zwei Runden um die Altstadt, wühlen uns durch enge Gassen und sind genervt vom ewigen Gehupe. Als ich gerade die Nase vom Rumgegurke voll habe, findet sich doch noch der richtige Abzweig und schon stehen wir vor der Herberge. Gerade will ich zur Rezeption laufen, da kommt ein „Schlepper“ vorbei und bietet uns ein besseres Hotel zum niedrigeren Preis an. Er will für seine Dienste nichts haben und wenn es uns nicht gefallen sollte, könnten wir auch wieder hierher zurückkommen. Wir lassen uns auf den Deal ein und fahren hinter seinem Moped her. Das heißt, wir versuchen mit ihm Schritt zu halten, aber so leicht wie er kommen wir mit unseren breiten Koffern nicht durch den Verkehr. Dann stehen wir vor dem angepriesenen Haus. Die Zimmer sind tatsächlicher schöner und auch günstiger, also bleiben wir hier. Da wir sowieso einen Führer für die Altstadt wollten, sagen wir auch zu, als uns „Schleppi“ seinen Bruder anbietet, der seinen Angaben nach ein lizenzierter Führer sei und auch Deutsch spräche. Der Preis und die Uhrzeit sind schnell ausgemacht und wir sind schon gespannt, was auf uns zukommt.
Nachdem wir die Zimmer bezogen und uns etwas erfrischt haben, laufen wir ein Stück durch die umliegende Gegend und nehmen in einem Restaurant ein verspätetes Mittagessen ein. Danach kruschteln wir noch ein wenig im Zimmer herum, bis unser Führer auftaucht. „Schleppi“ ist auch dabei und entschuldigt sich, dass sein Deutsch sprechender Bruder eine andere Gruppe führen muss, aber sein zweiter Bruder hätte auch eine Lizenz und würde gut englisch sprechen - Nachtigall ick hör dir trapsen! Da es für uns keine Rolle spielt, ob der Führer Deutsch oder Englisch spricht, sagen wir zu. Natürlich haben wir alle bereits mit mindestens einem Haken gerechnet, soweit kennen wir die Versprechen der Schlepper und Führer hier schon. Wir steigen alle in einen alten Opel Frontera und lassen uns zunächst in eine Töpferei karren. Es ist die gleiche Manufaktur, zu der wir schon vor einigen Jahren gebracht wurden. Aber egal, für Stefan und Hajo ist es das erste Mal und für mich ist der zweite Besuch trotzdem interessant. Einer der Töpfer erklärt uns die ganze Technik, vom Herstellen des Rohmaterials, bis zum Formen und ersten Brennen und dem Bemalen und zweiten Brennen von Schüsseln und Vasen, Kacheln und Mosaiken. Natürlich steht am Schluss die Führung durch die Verkaufsräume, aus Spaß allein führen die ja niemanden durch die Werkstätten und wegen Spaß sind wir auch nicht hier ...
Nach der Töpferei fahren wir rasch in die Altstadt. Wir wollen die Färberei und Gerberei noch bei Sonnenlicht sehen. Im strammen Schritt hetzten wir durch die Gassen, bis zu einem Souvenirgeschäft, von dessen Balkon aus man einen prima Blick hat. Leider haben wir Pech und die Sonne ist schon weg. Trotzdem ist es ein schöner Anblick, auch wenn es für die Arbeiter in den stinkenden Bottichen sicher weniger angenehm ist. Die anderen Touristen sind alle in Verkaufsgespräche verwickelt, weshalb wir unsere Ruhe haben und ungestört fotografieren können. Der Blick vom Balkon kostet zwar nichts, doch um hinzugelangen muss man durch den Laden und beim Rückweg gleich noch einmal hindurch. Wir kommen unbehelligt an den geschäftstüchtigen Verkäufern vorbei und setzten unseren Weg fort. Leider ist unser Führer zwar lizenziert, aber anscheinend nur auf Geschäfte aus. Er erklärt wenig und führt uns von einem Geschäft in das nächste. Von Tischdecken über Mützen, Taschen und Jacken steht alles auf dem Programm. Teppichläden hatten wir schon im Vorgespräch kategorisch ausgeschlossen. Da wir nirgends etwas kaufen und der Führer dadurch keine anteiligen Prozente bekommt, erzählt er noch weniger über die Sehenswürdigkeiten, an denen wir vorbei laufen. Er hat auch keine Lust mehr und meint, dass jetzt am Abend alles schließen würde und wir deshalb wieder zurück zum Hotel sollten. Irgendwie sieht es aber nirgends nach Ladenschluss aus. Im Gegenteil, die Gassen werden immer voller. Na gut, wenn er nicht mehr will, dann soll es so sein. Auf Tischdecken und Halstücher haben wir weder Bock noch brauchen wir dazu einen Führer. Zurück zum Auto und ab nach hause. Vor dem Hotel bezahlen wir die abgemachte Summe. Wenigstens kommen keine Nachforderungen, wie ich es schon öfter trotz ausgemachten Festpreises erlebt habe. Wir machen und kurz frisch und laufen eine Weile durch die Neustadt, bis wir ein kleines Restaurant finden, um mit dem Nachtessen den Tag zu beschließen.
Heute ist der letzte Tag in Marokko. Wir verlassen Fès in Richtung Norden. Trotz satellitengestützter Hilfe erwische ich die falsche Straße. Diese Panne ist aber nicht schlimm, da der nun eingeschlagene Weg landschaftlich schön und fahrerisch herausfordernd ist. Herausfordernd deshalb, weil die Straße zwar geteert ist, der Untergrund aber nicht eben, sondern mit tiefen Spurrillen durchzogen und total buckelig ist. Mein Fahrwerk muss die gesamten Federwege ausnutzen und die sind schon viel länger als im Originalzustand. Nach gut 50 Kilometern haben wir die Fahrwerk-Teststrecke hinter uns und biegen auf die Hauptverbindungsstraße nach Ouezzane ein. In Sidi-Jaber biege ich in eine Tankstelle ab. Stefan passt nicht auf und sieht das zu spät. Er rauscht in Hajos Heck, reißt ihm dabei einen Koffer ab und stürzt dann in den Straßengraben. Als sich die Staubwolke gelegt hat, sieht es aus wie auf dem Schlachtfeld. Hajos Kofferinhalt ist über die ganze Straße verteilt. Stefans Maschine liegt halb zertrümmert im Graben. Zum Glück ist beiden Fahrern nichts bzw. kaum etwas passiert. Wir klauben das Hab und Gut zusammen und stellen unsere Maschinen am Restaurant neben der Tankstelle ab. Hajos Koffer bekommen wir mit einem großen Stein wieder soweit zurechtgedengelt, dass er wieder verschließbar ist und am Gepäckträger befestigt werden kann. Wir kontrollieren, ob Stefans Maschine noch fahrbereit ist, entfernen die zerbrochenen Teile der Windschutzscheibe und ziehen hier und da noch etwas gerade. Schließlich haben sich alle wieder vom Schreck erholt und die Maschinen sind fahrbereit. Das ist ja gerade noch mal gut gegangen. Es hätte auch schlimmer ausgehen können.
Die Fahrt nach Ceuta ist jetzt nur noch reine Fleißarbeit, nun mit größeren Abständen zwischen den Maschinen ... Bevor wir Marokko verlassen, geben wir noch unsere letzten Dirham für Sprit und Cola aus. Dann rollen wir auf die schwer gesicherte Grenze zu. Während auf der Einreiseseite ein riesiger Stau von hupenden Autos steht, ist auf unserer Seite gar nichts los. Wir werden ziemlich rasch abgefertigt und sind innerhalb weniger Minuten in der spanischen Exklave Ceuta. Ich fahre bis ganz zur Nordspitze der Halbinsel hinauf und zeige meinen beiden Mitreisenden die tolle Aussicht vom Monte Hacho aus übers Meer nach Europa – ok, ok, ich geb’s ja zu. Ich habe mich verfahren und die Abfahrt zum Hafen verpasst ;-). Aber die Aussicht ist wirklich ganz toll!
Neben der Abfahrt zum Hafen haben wir auch noch die Abfahrt der Fähre verpasst und müssen nun lange anderthalb Stunden auf das nächste Schiff warten. Das heißt für uns, dass wir ziemlich spät in Spanien ankommen und uns dann im Finsteren noch einen Übernachtungsplatz suchen müssen. Aber was soll’s, das ist jetzt auch kein Problem mehr. Bleiben wir unserem Motto treu, schließlich sind wir ja nicht zum Spaß hier ;-)