Neuland Wüste - das Gepäcksystem
Sicher haben sich schon viele über dieses Thema ausgelassen und jeder hat andere Erfahrungen auf seinen Reisen gemacht, trotzdem möchte ich auch meinen subjektiven Senf dazu abgeben. Durch meine Alukoffer-Seite werde ich oft angeschrieben, welche Koffer für eine Wüstentour zu empfehlen sind. Zunächst einmal ist nicht jede Reise z. B. nach Marokko oder Tunesien gleich eine harte Wüstentour. Es gibt genügend gemäßigte Strecken, die auch mit Straßenmaschinen und/oder mit Kunststoffkoffern bewältigt werden können ohne auf ein gewisses Abenteuerflair zu verzichten. Hier sind die handelsüblichen Träger und Koffersysteme (egal ob Kunststoff oder Alu) meist ausreichend. Wenn man schon in Gepäckträger und Koffer investiert sollte man gleich ein etwas robusteres System wählen, dass auch mal den ein oder anderen Sturz aushält ohne sein Transportsystem gleich ganz entsorgen zu müssen. Hier spart man sonst am falschen Platz.
Marokko: Phil mit schmalem Koffersystem und Tankrucksack
mit Seitentaschen, ich mit Weichtaschen und Gepäckrolle
Weichtaschen
Für härteren Touren durch Dünengebiete und mit viel oder heftigem
Offroadanteil empfehle ich deshalb Weichtaschen, wie sie u. a. von Ortlieb oder
auch den großen drei Zubehöranbietern vertrieben werden. Einfache Taschen kann
man sich aus alten Armeebeständen (z. B. Sturmgepäck der Bundeswehr) leicht
selbst passend zurechtschneidern, sie sind aber nicht wasser-/staubdicht.
Weichtaschen haben mehrere Vorteile gegenüber Alukoffern, aber natürlich auch
Nachteile. Die Vorteile sind das geringe Gewicht, man braucht keinen stabilen
Träger für das Motorrad (meist reicht ein Abstandshalter auf der Auspuffseite)
und die Größe ist nicht gerade üppig bemessen - was natürlich für
manche ein Nachteil ist, aber man kann sich von vorn herein auf das wirklich
notwendigste beschränken und das ist dann wiederum ein Vorteil, man überlegt
mehr beim Packen! Aber selbst dann hat man meist zuviel dabei ;-). Die Taschen
lassen sich im Falle einer Beschädigung meist leicht reparieren, Nadel und
Faden sollte man eh dabei haben, aber spezielle Reparatursets (ähnlich wie
Reifenflickzeug) gibt es auch, z. B. von Ortlieb. Die Taschen werden mit
abnehmenden Inhalt auch immer kleiner, im Gegensatz zu festen Koffern. Das
Risiko bei einem Sturz von den Taschen verletzt zu werden ist kaum vorhanden,
bei festen Koffern jedoch fast die Regel. Die Nachteile sind die relativ
größere Gefahr der Beschädigung der Tasche und des Inhalts bei einem Sturz,
der kaum vorhandene Diebstahlschutz, die oft (je nach Bauart und Qualität bzw.
Beschädigungsgrad) nicht vorhandene Dichtheit gegenüber Wasser und Staub sowie
das schon erwähnte geringe Volumen.
Alukoffer
Die Vorteile der Alukoffer sind das große Volumen (natürlich Abhängig von
der Koffergröße), die größere Robustheit, sie sind meist wasser- und
staubdicht (zumindest im unbeschädigten Zustand) und der bessere
Diebstahlschutz. Außerdem kann man auch außen noch Gepäck befestigen und die
Koffer als Sitzgelegenheit nutzen oder gar als Unterstellbock bei Reparaturen am
Motorrad. Verbeulte Alukoffer können auch wieder relativ gut zurechtgedengelt
werden, zum Abdichten können z. B. alte Schläuche benutzt werden.
Langzeitreisende oder Leute die zu zweit auf einem Motorrad reisen, wissen die
Vorteile des Volumens usw. natürlich zu schätzen und werden sich eher für
diese Transportmöglichkeit entscheiden. Allerdings ist die Verletzungsgefahr
bei einem Sturz recht hoch, man sollte hier auf abgerundete Ecken und schräge
Kanten im vorderen unteren Bereich achten, also an der Stelle, die einem beim
Fußeln von hinten in die Beine haut.
Jordanien: Alukoffer und Tankrucksack
(die Gepäckrolle ist gerade nicht aufgeschnallt)
Kunststoffkoffer
Kunststoffkoffer sind oft robuster als man glaubt. Bis zu einem gewissen Grad
halten sie auch Stürze fast unbeschädigt aus. Je nach Material können sie
aber auch in tausend Stücke brechen, eine Reparatur ist dann so gut wie
unmöglich. Viele Modelle sind durch ihre Form und durch Verstärkungen innen
ziemlich zerklüftet und entsprechend schlecht zu packen. Durch ihre äußere
Form eignen sie sich auch nicht immer als Sitzgelegenheit und durch das Material
oft nicht als Unterbau für Reparaturen am Motorrad. Die Befestigungspunkte sind
vorgegeben, man kann also die Koffer nicht individuell in ihrer Lage anpassen,
wie das bei Alukoffern oft möglich ist. Im Preis stehen gute Kunststoffkoffer
den Alukoffern in nichts nach ...
Gepäckträger
Auch hier gibt es unterschiedliche Philosophien, die einen schwören auf
leichtes Alu, andere bevorzugen Stahl. Weiterhin unterscheidet man Rund- und
Vierkant-Profile, sowie geschweißte und geschraubte Konstruktionen.
- Aluminium
Aluminium ist zwar leichter, aber durch die geringere Festigkeit muss man
dickere Wandstärken einsetzen, so dass der Gewichtsvorteil schon fast wieder
hinüber ist. Da es viele verschiedene Alu-Legierungen mit unterschiedlichem
Verhalten gibt, ist auch die Auswahl des genauen Materials nicht leicht.
Aluminium härtet mit der Zeit aus und wird spröde. Je nach dem, welche
Legierung man gewählt hat, wie alt das Alu schon vor dem Gepäckträgerbau war
und wie lange es dann an der Maschine hängt, kann es irgendwann zu einem
Versagen des Materials kommen. Natürlich kann man das Aluminium durch
verschiedene Glühverfahren wieder elastischer machen, aber wer hat schon die
genaue Legierungszusammensetzung parat und einen geeigneten Ofen mit
programmierbarem Temperaturverlauf? Ein weiterer Nachteil ist die schlechte
Schweißbarkeit unterwegs. Bricht einem in den fremden Einöden der Träger, so
findet man vielleicht noch irgendwo einen Schweißer, der hat aber sicher keine
geeigneten Elektroden oder die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten. Also
wenn schon Alu, dann entweder geeignete Elektroden mitführen oder auf eine
Schweißkonstruktion verzichten und eine schraubbare Variante wählen.
Hierzu hat Claus Possberg einige Infos zusammengestellt:
- Stahl
Ein Gepäckträger aus Stahl ist unproblematisch, kann fast überall
zusammengebraten werden, ist robust, aber oft auch zu schwer und zu stabil
gebaut. Der Träger soll zwar was aushalten, aber bei einem Sturz sollte sich
gefälligst der Träger verbiegen und nicht das Rahmenheck des Motorrads. Oft
sieht man auch wilde Konstruktionen aus stabilen Profilen, aber die Lasche,
womit der Träger am Rahmen befestigt wird, ist dann aus dünnem Blech oder
einfach ein zusammengedrücktes Rohr mit einer Bohrung drin, wo dann gerade noch
je 2 mm Blech neben der Bohrung das ganze Gewicht halten muss. Wie bei einer
Kette ist immer das schwächste Glied für ein mögliches Versagen
ausschlaggebend. Eigentlich sind die käuflichen Gepäckträger, z. B. die vom
H&B oder Touratech, für die meisten Reisen ausreichend. Wer ganz Afrika
durchqueren will und dementsprechend viel Gepäck dabei hat oder wer über
Hunderte von Kilometern Wellblech fahren muss/möchte, sollte sich über eine
Verstärkung oder über einen etwas stabileren Träger nachdenken.
Tipps für einen selbstgebauten Gepäckträger gibt es bei Philip Herzog:
Gute Tipps und Infos zu Packstrategien bei Koffern und Weichtaschen gibt es unter Equipment bei Michael Rein:
Fahrverhalten
Das Fahrverhalten einer Maschine mit festem Koffersystem ist um einiges
schlechter, als bei einer Maschine, die mit Weichtaschen ausgerüstet ist.
Gerade bei schwierigen Dünenpassagen oder in verspurten Weichsandfeldern werden
diese Unterschiede überdeutlich. Dabei spielt nicht nur der Gewichtsunterschied
eine Rolle sondern auch die Lage des Gewichts im Bezug zum idealen Schwerpunkt
der Maschine. Feste Koffer sind meist weit außen und hinten angebracht, also
weit vom idealen Schwerpunkt entfernt und beeinflussen so, allein durch die
exponierte Lage, das Fahrverhalten negativ. Die weichen Taschen kann man mehr
zur Mitte des Fahrzeugs hin befestigen, ohne das diese den Fahrer stören. Durch
den fehlenden Gepäckträger, allenfalls ist ein kleiner Abstandshalter auf der
Auspuffseite notwendig, fehlt zum einen dessen Gewicht und zum anderen liegen
die Taschen nahe an der Fahrzeuglängsachse, also näher am idealen Schwerpunkt.
Tipps für die richtige Fahrtechnik im Gelände hat Claus Possberg sehr schön zusammengefasst: