Neuland Wüste - Fahren auf Pisten
Wer das Kapitel Navigation schon gelesen hat, erinnert sich sich daran, dass man dem GPS nicht blind vertrauen sollte. Oft weicht die vom GPS gezeigte Richtung vom Pistenverlauf ab und man fragt sich, welches wohl der bessere Weg zum Ziel wäre. Kann man die Piste auf der Karte identifizieren und ist sich sicher, dass sie zum Ziel führt oder hat man eine Beschreibung der Piste und ist diese sogar gekennzeichnet, so folgt man natürlich der Piste. Zum einen hat das Vorhandensein der Piste sicher einen Grund, Umgehung von Hindernissen, leichteres befahren dieser Strecke, zum anderen ist die Chance, dass man bei einer Panne oder einem Unfall von anderen Leuten gefunden wird größer als auf dem freien Gelände.
Kennzeichnung von Pisten
Oft ist der Pistenverlauf für eine Strecke von A nach B gekennzeichnet. Zur
Kennzeichnung werden z. B. Fässer, Reifen auf Stangen, Steinpyramiden oder
andere Gegenstände verwendet. Aber Vorsicht, nicht jeder Steinhaufen ist gleich
eine Pistenmarkierung ...
Auf dem folgenden Bild sieht man beispielhaft eine Pistenmarkierung auf der Strecke von Darj nach Idri in Libyen. Nicht alle Markierungen sind so groß wie die auf dem Foto. Meist werden damit besondere Punkte wie Pistenkreuzungen oder Abzweigungen gekennzeichnet. Die weiteren Steinhaufen sind dann wieder etwas kleiner.
Bild 1. Pistenmarkierung mit Steinhaufen in Libyen
Das nächste Foto (Bild 2) zeigt die Markierung einer Pipeline, auf die wir beim Brunnen El Hassi in Libyen gestoßen sind. Die Markierungspfähle waren in Abständen von jeweils einem Kilometer aufgestellt, die Zahl 181 auf dem Schild bedeutet, dass es noch 181 Kilometer bis zum Ende der Pipeline in Ubari sind. Wir folgten der sogenannten Pipeline-Piste um nach Ubari zu gelangen, mussten das Vorhaben jedoch später abbrechen, da die Piste nicht mehr gepflegt wurde und sich im wahrsten Sinne des Wortes im Sande verlief. Der Sand war extrem schwierig zu befahren und wir befürchteten, dass durch den gestiegenen Benzinverbrauch unsere Spritvorräte nicht bis zum Ziel ausreichen würden. Also drehten wir nach Osten ab und fuhren auf einer leichteren Strecke nach Idri, wo wir unsere Tanks füllen konnten und dann von dort aus auf der klassischen Dünenroute nach Ubari. So eine Entscheidung kann einem das GPS nicht abnehmen, dazu ist ein gesunder Menschenverstand und Erfahrung notwendig.
Bild 2. Markierungspfosten einer Pipeline in Libyen
Bild 3 zeigt eine Pistenmarkierung aus farblich gekennzeichneten Pflöcken in Marokko, für die Strecke von Erfoud zum Erg Chebbi. Mittlerweile gibt es dort eine Piste, die durchgängig mit weißen Steinen eingefasst ist. Seit 2003 führt sogar eine geteerte Straße zum Erg Chebbi - gut für die Einheimischen, schlecht für die Offroad Liebhaber :-(
Bild 3. Pistenmarkierung mit farbigen Pflöcken in Marokko
Eine wie in Bild 4 gekennzeichnete Piste ist schon fast eine Straße ;-) Meist sind sie nur wenige Kilometer lang und sollen eine leichte Orientierung zu bestimmten Sehenswürdigkeiten oder Orten ermöglichen. Die hier gezeigte liegt in Marokko und führt letztendlich zu Behausungen und Verkaufsständen von Fossiliensuchern.
Bild 4. Pistenmarkierung mit weißen Steinen und Steinhäufchen
Nicht gekennzeichnete Pisten
Auf Nebenrouten sind die Pisten meist nicht markiert, bzw. sind die Markierungen
nicht mehr oder nicht mehr vollständig erhalten. Oft sind hier nur wenige Fahrzeuge
unterwegs und die Spuren sind nicht immer deutlich zu sehen. Hier stößt
man auch auf Abzweigungen, die auf keiner Karte verzeichnet oder in Pistenbeschreibungen
erwähnt sind. Welchen Abzweig sollte man nun nehmen? Nicht jede Piste führt
in ein Dorf und manche Spuren führen nur zu einem verlassenen Beduinenlager
oder wurden von Militärfahrzeugen ins Nichts gelegt. Je nach Geländeform
und Bodenbeschaffenheit verzweigen sich die Spurenbündel auch in eine Unzahl
von Nebenpisten, die vielleicht zur Hauptpiste zurückführen, vielleicht
aber auch nicht. Hier sollte man ständig Orientierungspausen einlegen und immer
wieder den Standort feststellen und die Fahrtrichtung entsprechend festlegen. Dazu
sind natürlich gutes Kartenmaterial und entsprechende navigatorische Fähigkeiten
Voraussetzung.
Querfeldeinstrecken
Nicht zu jedem Ziel führt eine mehr oder weniger ausgeprägte Piste.
Manchmal müssen weite Kieselebenen (Reg) oder auch Dünengebiete (Erg)
durchquert werden. Kann man auf den Ebenen noch mehr oder weniger geradeaus
fahren, was schwierig genug ist, so muss man zwischen den Dünen sehr oft die
Richtung ändern, so dass es unmöglich ist, mit dem Kompass die Richtung
beizubehalten. Die Nadel zeigt immer in die gewünschte Himmelsrichtung, auch
wenn man zig Kilometer von der ursprünglichen Geraden zwischen Start- und
Zielpunkt entfernt ist.
Eine Methode einen solchen Erg zu durchqueren, hat Thomas Troßmann in seinem Buch "Motorradreisen zwischen Urlaub und Expedition" beschrieben. Dazu müssen mindestens drei Fahrzeuge teilnehmen die eine Kette bilden. Je nach den Sichtverhältnissen stehen die Maschinen etwa 500 Meter auseinander und bilden eine Linie in die Richtung, die man befahren will. Der letzte der Kette fährt dann an die erste Position und wiederum soweit voraus, wie es die Sichtverhältnisse erlauben. Er muss natürlich in der Verlängerung der Geraden bleiben, die durch die anderen Maschinen gebildet wird. Der nun hinterste wiederholt die Prozedur und geht in vorderste Position usw. An diesem Beispiel sieht man, wie sehr das GPS die Navigation vereinfachen kann. Trotzdem muss man natürlich die konventionelle Navigation gut beherrschen, da das GPS jederzeit ausfallen kann.
Solche Strecken sollte man nur mit guten navigatorischen Hilfsmitteln angehen, detaillierte Karten, guter Kompass und/oder GPS-Gerät. Am besten man hat mindestens zwei Kompasse bzw. GPS-Geräte dabei, wie schnell geht so ein Gerät im rauen Wüstenalltag kaputt und dann steht man recht bescheiden da. Darauf achten, dass genügend Vorräte an Benzin und Wasser dabei sind, falls man sich doch verfährt oder einen Defekt zu beklagen hat. Die Fahrzeuge sollten in einem Top-Zustand sein, so das Ausfälle weitgehend ausgeschlossen werden können. Auf jeden Fall sollte jemand der eine Rettung organisieren kann über den genauen Abfahrtszeitpunkt, die geplante Strecke und den spätest möglichen Ankunftstermin am Zielort informiert werden. Natürlich darf man auch die Rückmeldung nicht vergessen, wobei man sich vorher überlegen muss, wie diese Person überhaupt erreicht werden kann. Telefon, Fax oder gar Internet gibt es auch heute noch nicht überall in der Wüste!
Nutzung topografischer Gegebenheiten
Man kann sich auch am Vergleich der Angaben in der Karte mit der Geländebeschaffenheit vor Ort orientieren. An den Höhenlinien und an der Schummerung der Karte kann man Bergzüge bzw. Täler erkennen, die oft die Strecke begrenzen und nur eine Richtung zulassen. Weitere Bergzüge, oder auch wie hier eine Eisenbahnlinie, sind zusätzliche Orientierungshilfen. Hier ein Beispiel:
Acknowledgement:
Route screenshots taken from Garmin® MapSource® (Morocco map created by Olaf) and representing GPS tracks surveyed using a Garmin® GPS III+ handheld GPS unit.
Bild 5. Kartenausschnitt der Garmin Marokko-Topo Karte von Olaf. Die rote Linie ist der Streckenverlauf durch das Tal. Deutlich sind im rechten Teil des Bildes die Höhenlinien zu sehen, die das Tal nach Norden und Süden begrenzen. Die (schwarze) Bahnlinie bzw. die Berge westlich davon können als Auffanglinie genutzt werden.
Bild 6. Auf diesem Bild sieht man den Weg durch das Tal. Die Berge im Hintergrund begrenzen die Strecke nach Norden, nach Süden hin sieht es ähnlich aus, man kann also nur mit Absicht von der Strecke abkommen, aber nicht aus versehen.
Bild 7. Im Hintergrund die Berge, die auf dem Kartenausschnitt (Bild 5) ganz links in Nord-Süd Richtung verlaufen und auf die wir durch das in Ost-West Richtung liegende Tal zufahren. Sie dienen als weithin sichtbare Auffanglinie.
Bild 8. Hier die Eisenbahnlinie, die zwar noch vor dem Nord-Süd Bergzug liegt. Man kann sie leider nicht von weitem erkennen, sondern erst wenn man sie erreicht hat.
Verhalten auf Pisten
Fährt man in einer Gruppe mit mehreren Fahrzeugen, so zieht sich die Gruppe,
je nach Staubaufkommen, mehr oder weniger auseinander. Da kann dann leicht ein Fahrzeug
zurückbleiben oder einer falschen Spur folgen. Jetzt sollte man vermeiden wild
querfeldein zu fahren um sich gegenseitig zu suchen. Grundsätzlich fährt
man immer in der eigenen Spur zurück, und zwar bis zu dem Punkt, wo die Gruppe
definitiv noch zusammen war oder bis zu einem vorher vereinbarten Punkt. Das gleiche
gilt auch, wenn sich die Gruppe geschlossen verfahren hat. Nie versuchen den Weg
zur richtigen Piste querfeldein zu finden, zu schnell hat man sich vollends verfahren.
Auch hier ist man mit einem natürlich GPS, von dem man sich leiten lassen kann,
besser dran. Aber was, wenn es im falschen Moment ausfällt?